Im Zauberbann der Liebe: Roman (German Edition)
...?
Judith schlug die Augen auf und gähnte hinter vorgehaltener Hand. Obwohl sie einige Jahre älter war als Abby, sah sie wie ein junges Mädchen in dem schwachen Licht aus. Wie ein müdes junges Mädchen. »Du bist also wieder wach«, bemerkte sie. »Wie fühlst du dich?«
»Erschöpft.« Abby setzte sich auf und fuhr sich mit der Hand durch ihr offenes Haar. Es war zerzaust und verheddert, weil sie es vor dem Zubettgehen nicht geflochten hatte. Da sie sich jedoch nicht erinnerte, zu Bett gegangen zu sein, musste ihr jemand die Nadeln aus dem Haar genommen und ihr das Kleid ausgezogen haben. »Ich möchte nicht unfreundlich erscheinen, aber was tust du hier?«
Judith richtete sich lächelnd auf. Wie Abby trug sie ein Unterkleid statt eines Nachthemds. »Die Betten waren knapp gestern Nacht«, erklärte sie. »Alle Teilnehmer des Kreises waren viel zu müde, um heimzukehren. Wir waren kurz davor, wie gefällte Bäume umzufallen. Deine großartige Dienerschaft hat es jedoch geschafft, uns alle vorher irgendwo unterzubringen.«
Abby zählte in Gedanken. »Es müsste doch auch ein Bett für dich dabei gewesen sein?«
»Ich war besorgt um dich«, gab Judith ehrlich zu. »Ich habe noch nie jemanden so viel Magie übertragen sehen, wie du es gestern Nacht getan hast. Ich dachte, du solltest jemanden in der Nähe haben. Nur zur Sicherheit.«
Abby warf ihr einen verdutzten Blick zu. »Es war nur ein heilender Zirkel. Es gab keinen Grund, besorgt zu sein. Wir haben das schon oft genug getan.«
Judith grinste ein bisschen schief. »Ich bin noch nie in einem Kreis gewesen, der drei Stunden dauerte, und auch noch nie in einem, der ein solches Wunder vollbracht hat.«
»Drei Stunden!« Abby starrte sie an. »War es wirklich so lange?«
Ihre Freundin nickte. »Alle waren so erschöpft, dass ich kurz davor war, den Kreis zu beenden, bevor einer von uns zusammenbrach. Ich bin erstaunt, dass keiner umgekippt ist. Wir waren alle nahe dran.«
Abby runzelte die Stirn, als sie an die Geschehnisse zurückdachte. »Ich hatte jegliches Gefühl für Zeit verloren. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, überrascht es mich nicht, dass es Stunden gedauert hat. Da war so viel wiederherzustellen.«
»Weswegen eine Heilung dieses Ausmaßes ja auch so selten ist. Dass jemand genug Macht, Geduld und Fähigkeiten dazu hat, kommt fast nie vor.« Judith lächelte. »Das hast du sehr gut gemacht, Abby. Ich hoffe, dass dein nobler Patient es wert war.«
»Ich denke schon.« Abby begann, mit den Fingern die Knötchen in ihrem Haar zu lösen. »Was habt ihr gestern Nacht nach meiner mädchenhaften Ohnmacht noch getan?«
Judith hielt sich die Hand vor den Mund, um ein weiteres Gähnen zu verbergen. »Ich habe das Bein unseres Patienten geschient, damit er deine gute Arbeit nicht zunichtemacht, wenn er sich im Bett herumwirft. Auf meinen Vorschlag hin wurde er in das Zimmer gebracht, das dein Großvater bewohnt hatte, nachdem er krank geworden war. Dann habe ich die Haushälterin gebeten, den ganzen Morgen über ein kräftiges Frühstück bereitzuhalten, damit jeder essen kann, wenn er aufwacht. Nach einem so langen Zirkel werden heute alle hungrig sein.«
»Danke, dass du dich um alles gekümmert hast.« Abby verzog das Gesicht, als sie an einem größeren Knoten in ihrem Haar herumzupfte. »Du musst genauso müde sein wie ich, aber du hast dich viel besser gehalten.«
»Müde war ich, jedoch nicht so sehr wie du. Im Gegensatz zu dir übermittle ich dem Patienten ja keine Lebenskraft«, bemerkte Judith spitz.
Abby hätte sich denken müssen, dass Judith das bemerken würde. »Ich werde es nicht sehr lange tun, aber Lord Frayne brauchte zusätzliche Energie, um den Heilungsprozess zu überleben. Und er wird sie auch weiterhin benötigen, bis er etwas von seiner eigenen Kraft zurückgewinnt.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, räumte ihre Freundin ein. »Aber tu es bitte nicht sehr lange, Abby. Lebenskraft ist etwas sehr Empfindliches und nicht unbegrenzt vorhanden. Du könntest dir Schaden zufügen. Oder ... Schlimmeres.«
»Ich werde vorsichtig sein.« Abby erhob sich aus dem Bett. »Es wird Zeit, mich anzuziehen und nachzusehen, was meine Gäste so treiben. Wir sehen uns im Frühstückszimmer.«
In aller Eile bereitete sie sich auf den Tag vor, weil sie sich ihrer Versäumnisse als Gastgeberin nur zu gut bewusst war. Bevor sie jedoch ins Frühstückszimmer ging, schaute sie bei Lord Frayne herein, um zu sehen, wie es ihm ging. Von der
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