Im Zeichen der Angst Roman
beruhigt schlafen«, entfuhr es mir. »Und mein Vater? Wie passt der da rein? Sie haben ihn bezichtigt, bei den Werwölfen zu sein.«
»Wer behauptet das denn?«
»Mein Vater«, sagte ich.
»Oh«, sagte er. »Hat er Ihnen das erzählt?«
»Nein«, sagte ich. »Aber er hat es jemandem erzählt, und Rena wusste es auch. Es gibt eine schriftliche Aussage von Ihnen,
die das belegt. Man hat sie meinem Vater gleich nach seiner Verhaftung gezeigt, und kurz bevor er aus Sibirien zurückkam, haben Sie sich rein zufällig abgesetzt!«
Peter Plotzer lachte leise auf. Dann beugte er sich nach vorn und sah mir in die Augen. »Hörensagen also. Interessant, was die Leute so reden. Wissen Sie eigentlich, wie viele mich in diesem Kaff gehasst haben, weil ich ihnen nicht das beschafft habe, was sie wollten?« Er schnaubte verächtlich. »Diese ganze billige Kleinstadtmischpoke. Keinen Pfennig auf der Naht und keinen Ehrgeiz. Die wollten doch damals alle nur billig an das Zeug von denen, die geflohen waren. Szenen haben sich damals in meinem Büro abgespielt …« Er lachte in sich hinein. »Doch ob Sie es glauben oder nicht. Mit mir war so etwas nicht zu machen. Deshalb nur war ich da so lange beschäftigt. Oder denken Sie, die hätten mir den Posten gelassen, wenn sie mir Unregelmäßigkeiten hätten nachweisen können?«
»Was hat das mit meinem Vater zu tun?«
Peter Plotzer stutzte, und dann entfuhr es ihm: »Der war doch auch so ein Versager. Wozu hat er es denn gebracht? Irgend so ein kleiner Verwaltungsangestellter? Das war er doch, oder?«
»Reden Sie nicht so von meinem Vater«, sagte ich. »Tun Sie das nicht.«
»Man pfuscht mir nicht einfach dazwischen«, sagte er trocken. »Das tut man nicht. Verstehen Sie das?«
»Mein Vater hat Ihnen nicht dazwischengepfuscht. Mein Vater hat meine Mutter geliebt, und sie hat ihn geliebt.«
Plotzer lachte auf. Es war ein krächzendes, ironisches Lachen. »Was wissen Sie denn schon? Ich habe Ihrer Mutter alles besorgt, was sie brauchte. Lebensmittelkarten, echten Kaffee, Zigaretten. Einmal sogar echte Nylonstrümpfe.«
»Und sie zeigte sich dankbar«, sagte ich. »Wollen Sie das damit sagen?«
»Das war der Deal«, sagte Peter Plotzer.
»Sie wollen unterstellen, dass sich meine Mutter an Sie verkauft
hat?«, fragte ich leise. »Noch vorhin haben Sie gesagt, sie sei in Sie verliebt gewesen.«
Peter Plotzer verzog das Gesicht zu einem seltsam starren Lächeln. »So war es ja auch. Sie mochte mich, sehr sogar.«
»Nein!«, sagte ich und sprang auf. »Das passt alles nicht zusammen. Meine Mutter hat sich nie im Leben für irgendetwas verkauft. Auch nicht für Kaffee oder Nylonstrümpfe. Und schon gar nicht an Sie.«
»Kennen Sie Ihre Kleiderschränke?«, fragte er.
»Woher kennen Sie sie?«
»Ich kenne Ihre Mutter. Ihre Mutter war für ein gutes Geschäft immer zu haben. Das hat nichts mit Moral oder gut oder schlecht zu tun. Bei einem guten Geschäft bekommen beide Partner mehr heraus, als sie einzeln investiert haben. So hat Ihre Mutter es gesehen, und zwar schon immer.«
»Und weshalb haben Sie meinen Vater denunziert?«
»Clara«, hörte ich hinter mir die vertraute Stimme Davids. »Mein Vater ist alt und krank.«
Ich drehte mich ruckartig um. »Und meine Mutter ist tot. Johann Paulsen ist tot, und mein Vater starb an gebrochenem Herzen. Hier sitzt jemand, der dafür verantwortlich ist und alles beschmutzt, was meine Mutter jemals geliebt hat.«
»Jetzt reicht es aber«, sagte Peter Plotzer. »Bring sie hier raus. Ich hab genug von dieser Person.« Seine Hand winkte zitternd zur Tür, und in seiner Stimme klang eine Überheblichkeit, die ich hasste. Sie gehörte zu jenen Eigenarten, die Macht, Geld und Einfluss bei manchen Menschen hervorbrachten. Sie bildeten sich ein, unfehlbar zu sein, auch dann, wenn sie im Unrecht waren. Vor allem aber setzten sie voraus, dass sie jede Situation kontrollierten und dass ihre Anweisungen sofort und widerspruchslos befolgt wurden.
David ergriff meinen Ellenbogen.
»Nein«, sagte ich und entzog ihm den Arm. »So leicht kriegen Sie das diesmal nicht hin.«
Ein nachdenkliches Lächeln umspielte Peter Plotzers Lippen.
»Sie sind eine harte Nuss«, sagte er. »Ganz wie Ihre Mutter.«
»Und Sie sind Meinhard Laufer«, sagte ich.
»Was spielt das schon für eine Rolle«, sagte er. »Ich habe mich aus der DDR abgesetzt wie Millionen andere auch. Ich habe nichts gestohlen, sondern nur dafür gesorgt, dass der rechtmäßige
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