Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
Vom Netzwerk:
dass ich es hätte sein müssen. Dass sie mich hätten entführen sollen. Nicht Josey. Nicht sie«, sagte ich. »Verstehst du das?«
    »Ich denke schon«, sagte er. »Du bist ihre Mutter.«
    »Aber ich meine es wirklich so.«
    Er wiegte mich vor und zurück.
    »Ich bin nicht nur ausgelaugt und müde«, fuhr ich fort. »Ich bin innerlich wie tot. Als sei ich längst gestorben.«
    »Ich weiß, wie das ist«, sagte er. »Das kenne ich gut.« Er strich mir über die Haare und legte seine Hand erneut in meinen Nacken. Diesmal hob ich den Kopf.
    »Halt mich einfach nur fest, okay? Nur festhalten. Sonst falle ich doch noch.«
    »Ja«, sagte er. »Ich halte dich.« Er brach ab, und ich hörte, wie er leise schluckte in dem Bemühen, nicht selbst die Fassung zu verlieren.
    »Bleib heute bei mir.«
    »Das weißt du doch.« Seine Lippen lagen noch immer auf meinen Haaren, und es schien mir, als wäre es richtig - und dennoch nicht gut.
    »Möchtest du einen Kakao?«, fragte David an meinem Ohr.
    Mein Kopf zuckte zurück. »Wie bitte?« Ich sah ihn überrascht an.

    David lächelte. In den Augenwinkeln erschienen Fältchen, die ihn jung aussehen ließen.
    Auf eine seltsame Weise verlor die Situation das Angespannte, und ich lächelte erleichtert zurück. »Ein Kakao wäre großartig.«
    »Komm mit«, sagte er, fasste meine Hand und führte mich zu einer Tür, die ins Nebenzimmer ging.
    Meine Füße versanken in einem verführerisch weichen, wollweißen Teppich, der so erlesen war wie die gesamte Einrichtung mit deckenhohen Einbauschränken und einem Kingsize-Bett mit einem weißen Überwurf. Wenn die Einrichtung etwas über ihren Bewohner aussagt, dann war David sehr klar und aufgeräumt. Er liebte edle Materialien und verabscheute Pomp. Allerdings ließ seine Einrichtung auch jede Form von Romantik vermissen. Nirgendwo lag etwas herum, und nirgendwo gab es Fotos oder Blumen oder nur weich fallende Stoffe.
    Ich überlegte, ob ich den Butler bitten sollte, mir meinen Koffer aus dem Auto zu holen, während David bereits an einen der Schränke ging. Er nahm ein weißes T-Shirt heraus und legte es aufs Bett. Mit dem Finger wies er erst auf das Shirt, dann auf mich. Ich musste lächeln, doch ich war mir nicht sicher, ob ich mich wohlfühlte oder nur aus Hilflosigkeit lächelte.
    Immerhin entschied ich, den Koffer im Auto zu lassen. Sofort fühlte ich mich wohler, denn auf diese Weise blieb die Situation provisorischer, und ich hatte das Gefühl, jederzeit gehen zu können.
    »Nebenan ist das Badezimmer«, sagte David und zeigte auf eine zweite Tür, die von dem Schlafzimmer abging. »Ich leg dir ein Handtuch hin. Im Schrank unter der Spüle findest du einen zweiten Bürstenkopf für die Zahnbürste.«
    Als David das Zimmer verlassen hatte, ging ich ins Bad. Ich wechselte den Bürstenkopf und putzte mir die Zähne mit der Zahnbürste eines Mannes, mit dem ich Jahre zuvor einmal geschlafen hatte, den ich aber dennoch kaum kannte. Es erinnerte
mich an die Zeit, als ich mir im Studentenwohnheim in Jena mit neun anderen jungen Frauen eine Vier-Zimmer-Wohnung und ein Bad geteilt hatte und man nie so genau wusste, wer gerade zu Besuch war und die Seife als Letzter benutzt hatte.
    Als er nach ein paar Minuten zurückkehrte, lag ich bereits mit seinem T-Shirt in seinem Bett, die Decke bis an den Hals gezogen, wo ich sie mit beiden Händen krampf haft festhielt.
    Er setzte sich auf die Bettkante und reichte mir einen blauen Keramikbecher mit weißen Punkten. Ich rutschte am Kopfende gerade so viel nach oben, dass ich den Becher greifen und aus ihm trinken konnte, ohne den Kakao zu verschütten.
    »Ich habe das früher immer für Katharina gemacht, wenn sie nicht schlafen konnte«, sagte er und pustete in seinen Becher. »Claudia hatte seit ihrem Reitunfall zu viele Schmerzen. In den ersten Jahren war sie froh über jeden Dienst, den ich ihr abnahm.«
    Ich trank den Kakao und lauschte seiner Stimme. Ich fühlte mich unbehaglich. Ich wünschte mir, dass er jetzt bitte nicht von seiner gescheiterten Ehe erzählte. Oder davon, wie allein und einsam er sich in dieser Zeit gefühlt hatte. Ich wollte diese Geschichten nicht hören. Jeder, der eine gescheiterte Ehe hinter sich hatte, konnte eine Schmährede halten oder in Selbstmitleid versinken. Es brachte niemanden weiter - und ich hatte andere Sorgen.
    Als spürte er, was ich dachte, schwieg er.
    »Danke, dass du mir vertraust«, sagte er schließlich und nahm mir den halb leeren Becher ab. Dann

Weitere Kostenlose Bücher