Im Zeichen der Angst Roman
tun wir doch.«
»Nein«, sagte ich und sprang auf. »Das tun wir nicht!«
Ich rannte aus dem Zimmer. Ich hatte genug erfahren, und ich war mir nicht sicher, von wem ich die Nase mehr voll hatte, von David oder von seinem Vater.
Der Butler reichte mir wortlos meinen Mantel und half mir hinein. Hinter mir knallte die Tür der Bibliothek, und David kam zu mir. Er nahm meinen Arm.
»Komm mit«, sagte er. »Ich werde dir sagen, was ich darüber weiß.«
»Ich werde nirgendwohin mit dir gehen«, erwiderte ich wütend.
»Clara.«
»Ihr kotzt mich an«, sagte ich. »Du, dein Vater und euresgleichen. Ihr glaubt allen Ernstes, weil ihr zu Einfluss und Geld gekommen seid, gelten für euch die Regeln nicht. Ihr glaubt …«
Der Butler zeigte so etwas wie Gefühl: Er zog kaum merklich die Brauen hoch, unter denen seine Augen amüsiert blickten.
»Clara«, unterbrach David mich. »Hör auf damit. Du weißt, dass das ungerecht ist.«
»Ist doch aber wahr«, sagte ich, sah den Butler an und zuckte mit den Schultern, was einer Entschuldigung gleichkam, ihm aber dennoch nicht mehr entlockte als die maskenhafte Miene, die ich kannte.
»Komm mit. Wir haben den Computer deiner Mutter zurückbekommen.« David nahm meine Hand und zog mich mit sich. Einfach so, ohne Vorwarnung, als sei es das Natürlichste von der Welt. Ich entzog sie ihm mit einem Ruck.
Ich war wütend auf ihn, doch er hatte mich überrumpelt. Widerwillig folgte ich ihm in die erste Etage in das Zimmer, in dem wir gefrühstückt hatten.
33
Auf einer Anrichte standen eine dekantierte Flasche Rotwein und zwei Gläser. Ich schüttelte den Kopf, als David mich fragte, ob ich ein Glas mit ihm trinken wollte. Es war kurz vor vier Uhr morgens. Wenn ich Glück hatte, würde ich in Kürze doch noch ein, zwei Stunden in einem Bett liegen und vielleicht sogar etwas Schlaf finden.
Ich setzte mich an den Tisch, auf dem der Laptop meiner Mutter stand. Der Deckel war geöffnet. Daneben lag ein dünner Ordner mit einem schwarzen Plastikeinband.
David schaltete den Laptop ein, der leise summend hochfuhr. Auf dem Bildschirm erschien das lachende Gesicht meiner Tochter Johanna.
»Einer unserer Techniker hat ihn mir heute früh gebracht. Es hat die ganze Nacht gedauert.«
»Warum hast du es mir nicht früher gesagt?«
»Ich wollte es ja, aber es schien nie der richtige Zeitpunkt zu sein.« Ich hatte nicht den Eindruck, dass das die Wahrheit war, doch ich ließ es auf sich beruhen.
»Muss ich jetzt alles lesen, was du da ausgedruckt und abgeheftet hast?«
»Nein«, sagte er. »Ich hab ihn mir schnell angesehen, bevor wir zur Beerdigung gefahren sind, und nebenbei ein paar Sachen ausgedruckt. Aber ich habe längst nicht alles durchsehen können. Ich habe heute früh auch noch mit meinem Vater darüber gesprochen.«
»Heute früh?«, hakte ich nach.
»Ja, deshalb sind wir ja erst so spät in Solthaven gewesen. Ich hatte befürchtet, dass es bei diesem Wetter einen Stau geben würde, und wollte deshalb viel früher losfahren. Aber dann musste ich erst mit meinem Vater sprechen, und das hat eben länger gedauert.«
»Worüber habt ihr gesprochen?«, fragte ich.
»Ich hab dir von den wichtigen Dateien Kopien gemacht«, sagte er, ohne auf meine Frage zu achten. »Sie sind in dem Ordner. Nur damit du es weißt: Erst dadurch erfuhr ich von Madeleine Lehmholz’ Existenz und von ihrer Verbindung zu meiner Familie.«
»Ich hatte dir nicht erlaubt, in den Unterlagen meiner Mutter zu schnüffeln«, sagte ich lahm.
»Ich denke, wir sind ein Team«, sagte er und sah mich an.
Ich wich seinem Blick aus, griff nach dem Ordner und blätterte ihn flüchtig durch. Wichtiges hatte David mit einem orangefarbenen Marker hervorgehoben. Aus den Dokumenten und Unterlagen, die meine Mutter sorgsam eingescannt hatte, ging Folgendes hervor:
Madeleine Lehmholz war die Tochter von Peter Plotzer. Es gab einen DNA-Test, der es bestätigte. Darüber hinaus gab es die Kopie einer eidesstattlichen Versicherung, in der Peter
Plotzer dieses Kind als seines anerkannte. Weiter gab es die Bestätigung einer einmaligen Abfindungssumme über damals 250 000 DM, heute 125 000 Euro, die er als Alimente gezahlt hatte. An meine Mutter. Außerdem zahlte er jeden Monat 1500 Euro bis zu einer Summe von 500 000 DM, also 250 000 Euro. Und es gab eine eidesstattliche Versicherung, mit der Madeleine Lehmholz auf alle weiteren Ansprüche aus dem Erbe Peter Plotzers verzichtete.
Damit war zumindest geklärt, woher
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