Im Zeichen der Angst Roman
einem Ergebnis gekommen war, stand Madeleine vor mir.
Ich hatte weder die Haustür gehört noch ihre Schritte auf dem Korridor, und so hatte ich nicht damit gerechnet, dass sich außer mir jemand in dem Haus aufhielt. Als sie in der Küchentür »Hallo« sagte, sprang ich von meinem Stuhl auf und ließ die Weinflasche fallen, aus der ich mir gerade ein Glas nachfüllte. Mit einem Satz war ich an der Arbeitsplatte, griff mir ein Messer aus dem Messerblock und drehte mich um. Ich zitterte, aber
ich war bereit, mich gegen jeden zu wehren, der mir zu nahe kommen wollte.
»Fall mir bloß nicht um. Ich hab zwar Erfahrung, aber keine Lust, mir noch einen Pflegefall zuzuziehen.« Madeleine ging wie selbstverständlich auf mich zu und nahm mir das Messer aus der Hand. Sie steckte es kommentarlos zurück in den Block und ging zur Spüle. Sie bückte sich zu dem Schrank darunter, holte einen Wischeimer mit einem Lappen hervor und wischte den Wein auf. Die Scherben kehrte sie auf einer Schaufel zusammen und entleerte sie im Mülleimer, der in einem weiteren Unterschrank eingebaut war.
Ich sah ihr sprachlos zu.
»Du solltest nicht trinken«, sagte sie und zog missbilligend die Brauen zusammen. »Vor allem jetzt nicht.«
»Ich trinke nicht«, sagte ich lahm und setzte mich an den Küchentisch.
»Ich an deiner Stelle würde Tee trinken. Grünen, der macht den Kopf klar und ist gesund.«
»Bist du immer so puritanisch?« Abneigung kroch durch meinen Körper, und in einer unbewussten Geste verschränkte ich die Hände vor mir.
Schweigend stellte sie den Eimer an seinen Platz zurück und drehte sich zu mir.
»Wie bist du reingekommen?«, fragte ich.
Sie zog einen Schlüssel aus der Jackentasche. »Ich habe einen.«
»Ich habe dich nicht gehört. Die Tür auch nicht.«
»Der Hund sitzt draußen«, sagte sie, als wäre das eine Erklärung.
»Du kannst ihn reinholen«, sagte ich.
»Bist du sicher?«
Ich nickte, und so holte sie den Hund herein und führte ihn am Halsband durch die Küche. Mit wedelndem Schwanz blieb er vor mir stehen. Dennoch saß in meinen Kniekehlen die Angst, und mein Gesicht verkrampfte sich, weil ich mich trotz
der Furcht bemühte zu lächeln. Der Schwanz des Hundes wedelte etwas schneller, und dann legte er mir den Kopf auf die Knie. Mein Oberkörper beugte sich stocksteif nach hinten, ich wagte kaum zu atmen und hätte diesen weißen Fellkörper am liebsten in den Orbit geschossen.
»Streichle ihn«, sagte Madeleine, nahm meine Hand und führte sie über seinen Kopf. Widerwillig ließ ich es geschehen.
»Na los.« Sie ließ meine Hand los.
Zögernd erst, dann fester, kraulte ich ihn zwischen den Ohren.
Madeleine lächelte. »Geht doch.«
Dann zog sie den Hund weg, schnippte mit den Fingern und zeigte auf den Kamin.
»Platz da.«
Er trabte gemächlich über die Kacheln und legte sich vor den Kamin, wie er es schon am vergangenen Abend getan hatte.
»Weißt du, wie man Holz im Kamin anzündet?«, fragte sie.
»Theoretisch wie bei einem Ofen«, sagte ich, »doch das kann ich auch nicht.«
»Mami sagte, ihr hättet einen gehabt.«
»Vielleicht zu der Zeit, als ich noch nicht geboren oder noch ein Baby war. Aber so lange, wie ich mich erinnere, gab es bei uns zu Hause eine Fernheizung.«
Sie ging zur Terrassentür im Wohnzimmer.
»Ich hol mal das Holz von draußen. Es ist gleich neben der Garage unterm Dach gestapelt. Du kannst ja mal nach alten Zeitungen sehen. Unten im ersten Keller liegen noch welche. Im Sommer sammle ich sie immer für Mami, damit sie im Winter damit anheizen kann.«
Während Madeleine nach draußen ging, holte ich aus dem Keller ein paar Zeitungen.
Als ich zurückkam, kniete sie bereits vor dem Kamin, Streichhölzer und ein paar Brocken Kaminanzünder in der Hand. Der Hund lag ruhig an seinem Platz und beobachtete ihr Treiben
unter halb geschlossenen Lidern. Immer noch vorsichtig ging ich an ihm vorbei und gab ihr die Zeitungen.
»Woher hast du die Anzünder?«, fragte ich. Sie klopfte auf die Jackentasche. »Hab ich mitgebracht. Ich wusste ja, dass keine im Haus sind.« Sie zündete den Anzünder an, knüllte das Papier, das ich ihr reichte, und stapelte darüber kunstvoll drei Holzscheite zu einer Art Pyramide.
»Normalerweise bringe ich im Herbst immer einen Sack Kienäpfel vorbei. Erstens riecht es so schön und zweitens brennt das Holz dann besser an. Aber es war ja abzusehen, dass Mami nicht so schnell zurückkam.«
»Wieso hast du das angenommen?«
Ihr Kopf
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