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Im Zeichen der Angst Roman

Titel: Im Zeichen der Angst Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Bechtheim
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zuckte zu mir zurück, sie stand auf und putzte sich die Knie mit den Händen ab. Ich konnte ihr Gesicht nicht sehen, denn die halblangen Haare verhängten es. Ihr Haaransatz war ein dichtes Feld grauer Strähnen.
    Als sie sich aufrichtete, lächelte sie.
    »Mami war in Hamburg, weil sie nach irgendetwas suchte.«
    Ihr »Mami« ging mir so ungebrochen auf die Nerven wie das erste Mal, als sie es benutzt hatte.
    »Nach was?«, fragte ich, alle Warnungen Mankiewiscs in den Wind schlagend, während ich mich so an den Esstisch setzte, dass ich den Hund im Auge behielt.
    »Nach dem Beweis für deine Unschuld an Jörn Bruchsahls Tod.« Sie setzte sich mir gegenüber, doch sie schaute mich nicht an. Ihr Kopf war zur Seite gewandt, als behielte auch sie den Hund im Blick.
    »Du hast sie gehen lassen?«
    »Sie war besessen davon, und sie war eine alte Frau.« Sie sagte es ruhig und mit diesem abgewandten Blick, der mir auswich. Sie faltete die Hände auf der Tischplatte, und erneut fiel mir auf, wie brüchig ihre Nägel waren, wie grob und abgearbeitet ihre Hände aussahen. Ich vermutete, dass sie beim Putzen nie Handschuhe trug.

    »Sie war neunundsiebzig«, sagte ich und löste den Blick von den Händen.
    »Was sollte sie schon rausfinden, außer dass du es warst?«
    »Meine Güte«, sagte ich. »Sie begab sich mit diesem Herumstochern in Gefahr, und sie war deine Mutter, sie war alt, sie war allein.«
    »In welche Gefahr?«, fragte sie mit einer Kälte, die mich frösteln ließ. Endlich wandte sie mir den Kopf zu, doch in ihrem feinen Gesicht zeigte sich keine Regung. »Sie kam im Februar 1996 hierher, um mich angeblich zu unterstützen, wenn du es genau wissen willst. Sie hat mir versprochen, sich um Rebecca zu kümmern, wenn ich für sie putze. Doch letztlich war ich nichts weiter für sie als ein Putzlappen, den man nach Belieben herumkommandieren kann. Meinst du, das erzeugt besonders viel Interesse daran, was sie gerade tut oder will? Und wenn sie dann noch ihre Depressionen bekam, meine Güte, dann war sie einfach nur ein Drachen.«
    Etwas geschah mit mir. Vielleicht die Erinnerung daran, dass ich versprochen hatte, meine Mutter niemals zu verraten.
    »Sie hat sich für dich an deinen Vater verkauft. Sie hat mich und meinen Vater für dich aufgegeben. Sie hat für dich jeden Kontakt zu mir abgebrochen. Nur für dich. Sie hat gelitten, mein Vater hat gelitten.« Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben. Doch die Sätze schossen wie Gewehrsalven aus meinem Mund, und mein Puls raste.
    Eine dunkle Röte überzog ihr Gesicht und färbte die Sommersprossen auf der Nase dunkler.
    »Ich weiß, was sie getan hat«, sagte sie mühsam beherrscht. »Sie hat es mir ja immer wieder unter die Nase gerieben. Nur damit du es weißt: Das alles hat sie nicht meinetwegen getan. Ich war ihr komplett egal seit dieser Katastrophe mit Johanna und deiner Verhaftung. Sie behauptete zwar immer anderes, wenn sie mal gerade wieder meine Hilfe brauchte. Doch getan hat sie es nur für Rebecca. Nur für sie.«

    »Sie hatte aber deinetwegen all die Jahre über ein schlechtes Gewissen«, sagte ich überrascht von der Bösartigkeit ihres Angriffs.
    »Natürlich hatte sie das«, erwiderte sie. »Anfangs, als sie noch in Berlin lebte, war ja auch alles schön und nett. Doch dann wollte sie, dass ich mein Abitur nachmache und studiere wie du, ihre über alles geschätzte Clara. Aber ich war über vierzig, und ich war noch nie besonders gut in der Schule. Ich hab es nicht geschafft. Tagsüber putzen, abends die Schulbank in der Volkshochschule drücken und dann meine Tochter, die immer wieder ihre Krankheitsschübe bekam. Eine Zeitlang konnte sie nicht sprechen, dann nicht richtig sehen. Immer wieder hatte sie epileptische Anfälle. Ständig saß Mami mir telefonisch im Nacken. Hast du die Schularbeiten gemacht? Hast du gelernt? Du brauchst einen Abschluss! Du brauchst einen anständigen Beruf! Als sie hierherkam, wollte sie sogar, dass ich nur drei Tage für sie putzte, damit ich mehr Zeit zum Lernen hätte und noch mal einen Kurs mache.«
    »Aber das ist doch großartig.«
    »Nein«, sagte sie. »Das war es ganz und gar nicht. Denn dann wollte sie die so genannten Alimente meines Vaters auch nur für drei Tage an mich bezahlen. Wie sollte ich dann leben? Das war doch alles so absurd mit ihr.«
    »Sie war aber deine Mutter«, sagte ich und merkte selbst, wie kläglich es klang. »Sie hat sich um dich gekümmert und wollte dein Bestes.«
    »Es gab einen

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