Im Zeichen der Angst Roman
während ich mich auf meinen Atem konzentrierte und »Platz, Erwin« keuchte. Der Hund sah kurz zu mir hoch, als verstünde er die Aufregung nicht, und setzte sich dann auf die Hinterpfoten.
Ich vermute, ich sah ziemlich wütend aus, als Madeleine um die Ecke kam, einen groß gewachsenen Mann im Schlepptau, und wie selbstverständlich das Terrassenlicht einschaltete.
Als sie mich im Licht sah, blieb sie stehen und schaute mich mit einem Ausdruck an, der Zaghaftigkeit vermittelte.
»Entschuldige bitte«, sagte sie nach kurzem Zögern und zeigte auf einen Korb, den sie in der Hand trug. »Ich bringe nur Kartoffeln vorbei und ein paar Zwiebeln. Aber weil kein Licht brannte, dachte ich, du schläfst schon, und wollte es nur schnell in die Garage stellen.« Sie wies mit einer Kopfbewegung auf den Mann, der mich neugierig musterte und dabei ebenso schuldbewusst aussah wie sie. »Tassilo von Weiden«, sagte sie.
»Nimm den Hund weg.« Ich stand steif wie ein Stock, und meine Stimme klang rau und voller unterdrückter Wut.
»Er mag dich, sonst hätte er nicht auf dich gehört«, sagte sie und tätschelte ihm mit der freien Hand den Kopf.
Ich holte tief Luft und wollte etwas in der Art erwidern, dass es extrem rücksichtslos war, doch Tassilo von Weiden trat mit einem Lächeln zwischen uns und streckte mir die Hand entgegen.
»Schön, Sie kennen zu lernen«, sagte er und umfasste meine Hand. »Erwin jagt erst mal jedem einen Schrecken ein, aber er ist wirklich harmlos.«
Ich wollte einen Schritt zurückweichen, doch er hielt meine Hand fest.
»Clara Silberstein.« Ich war unsicher, was er über mich wusste und welchen Namen ich nennen sollte, und so entschied ich mich für den meiner Mutter.
Er ließ meine Hand los und trat zur Seite. Mit einer selbstverständlichen Geste, der ich nichts entgegenzusetzen hatte, ließ er mir den Vortritt in das Haus. »Es ist unmöglich, Madeleine begreiflich zu machen, dass ein unangeleinter Schäferhund Menschen, die ihn nicht kennen, ängstigen kann. Immerhin belegen Statistiken, dass Schäferhunde öfter in Beißereien verwickelt sind als jede andere Rasse. Ihm steht ja nicht auf die Stirn tätowiert, dass er ein Lieber ist.«
Ich ging durch das Wohnzimmer und schaltete die Deckenbeleuchtung ein. Madeleine folgte uns mit Erwin. Sie schloss die Tür, und als sie sich umdrehte, sah ich eine dunkle Wut über ihr Gesicht gleiten, auch wenn sie den Hund jetzt wieder am Halsband führte.
Mit größter Selbstverständlichkeit brachte sie Erwin zum Kamin, wo er sich niederlegte, die Pfoten entspannt von sich gestreckt.
»Das ist sein Stammplatz.« Madeleine zuckte mit den Schultern und setzte sich in einen der Sessel, die der Couch gegenüberstanden. Ich setzte mich neben sie in den zweiten Sessel, während Tassilo von Weiden auf der Couch Platz nahm.
Er erzählte mir etwas Belangsloses über die Herkunft der Kartoffeln, dass die Zwiebeln aus Madeleines Garten stammten und ich ihn jederzeit anrufen könnte, wenn ich Kaminholz brauchte. Ich beobachtete angespannt den Hund, dessen Kopf auf den Vorderpfoten lag, die Augen geschlossen.
Während Tassilo weiterredete, entspannte ich mich langsam, und als könnte er es von meinem Gesicht ablesen, begann er mir Fragen zu stellen, während Madeleine sich nicht an dem Gespräch beteiligte. Ich war vorsichtig mit meinen Antworten. Ich erzählte ihm, dass ich in der DDR aufgewachsen war, nun in Hamburg lebte, dass mein Mann gestorben war und ich 20 Jahre lang keinen Kontakt zu meiner Mutter gehabt hatte, weil sie mich und meinen Vater verlassen hatte. Ich sagte ihm nichts von Johanna und Josey. Vielleicht hatte Madeleine ihm etwas erzählt, vielleicht auch nicht. Ich erzählte ihm, wie schon Madeleine und zuvor seiner Mutter, dass ich plante, ein Buch über Gutshäuser zu schreiben. Es schien ihm weit weniger zu imponieren als Lydia. Er fragte nicht nach und machte sich auch nicht die Mühe, mich mit irgendwelchen Bekanntschaften beeindrucken zu wollen.
Alles in allem hatte ich das Gefühl, dass der Mann weitaus sympathischer war, als ihm der Dorfklatsch zugestand und
meine Mutter in ihren Aufzeichnungen festgehalten hatte. Vor allem aber konnte ich mir nicht vorstellen, dass er etwas mit Johannas Entführung zu tun haben könnte. Er wirkte aufrichtig und ehrlich. Doch ich war auf der Hut. Seine Mutter war Schauspielerin, und er war berüchtigt für seinen Charme.
Ich warf zwischendurch einen Blick auf Madeleine. Sie starrte mit
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