Im Zeichen der Angst Roman
denke, sie hat sich sogar von sich aus mit ihm getroffen. Vielleicht hat sie an irgendeinem Punkt geglaubt, wenn sie einen Deal mit ihm eingehen würde, könnte sie uns alle schützen.«
»Was für einen Deal meinen Sie?«, fragte Mankiewisc.
»Dass sie ihm die verbliebenen anderthalb Millionen gibt und er dafür schriftlich erklärt, er habe Bruchsahl erschossen. Das wusste sie immer, und sie tickte so. Sie hätte sich auf so etwas eingelassen. Sie hätte ihm garantiert, er könnte mit Christine weggehen, und erst dann würde sie das Geständnis benutzen. Ich denke, so muss es gewesen sein. Doch dann ist es wohl zum Streit gekommen, und er hat sie erschossen. Oder er hat sie geplant erschossen und mich bedroht, weil er wusste, dass ich ihm das Geld geben würde. Ich hatte schon ein Kind verloren. An Madeleine konnte er sich nicht wenden. Nein, Madeleine hätte ihn ausgelacht, wenn er von ihr die zwei Millionen gefordert hätte.«
»Christine Metternich wusste, dass Thomas Hart auch Ihre Mutter erschossen hat?«
»Ich nehme es an. Ich glaube inzwischen sogar, dass sie den ersten Brief unten am Bahnhof dem Junkie übergeben hat. Sie muss ja nicht gewusst haben, was drin war.«
»Sie glauben, sie hat sich den Rover geliehen?«, fragte Mankiewisc.
»Madeleine war mit Christine befreundet. Klar hätte sie sich den leihen können. Auf jeden Fall brachte sie sich um, weil sie erstens ohnehin nicht mehr lange zu leben hatte und zweitens dachte, wir hätten im Haus meiner Mutter Hinweise gefunden, dass sie von Johannas Entführung wusste oder in Joseys mit drin steckte oder den Mörder meiner Mutter kannte.«
»Und Madeleine?«, fragte Mankiewisc und gab sich selbst die Antwort: »Madeleine erfuhr gestern, dass Sie Bruchsahl nie erschossen haben. Sie haben es ihr gesagt, nicht wahr?«
Ich nickte. »Sie schien es erst nicht zu glauben. Aber weshalb hätte ich lügen sollen? Das muss sie sich gefragt haben.«
»Sie rief Thomas Hart an und drohte ihm, jetzt doch alles öffentlich zu machen, weil er ihren Geliebten umgebracht hat?«
»Ich vermute es, und er hat Tassilo von Weiden geschickt, um sie zu beruhigen oder zu töten.«
»Trauen Sie von Weiden das zu?«
»Ich kenne ihn nur flüchtig«, sagte ich. »Aber entweder brachte Hart selbst oder von Weiden sie um. Einer von beiden war es. Sonst hätte der Hund nicht so ruhig hinterm Haus gesessen. Er kannte die Täter. Er schlug nicht an, sonst hätte wohl das ganze Dorf heute Nacht schlaflos verbracht.« Mankiewisc schwieg, und in mir fraß wieder die Angst. Ich wünschte mir ein Blaulicht oder eine Eskorte, irgendetwas, das mich schneller durch die Innenstadt brachte und in das Haus, von dem ich annahm, dass ich Josey dort finden würde.
Madeleines Tod war nämlich ein sicheres Zeichen dafür, dass Thomas Hart und Tassilo von Weiden langsam nervös wurden. Wer nervös ist, handelt unüberlegt, und das war das Letzte, was Josey gebrauchen konnte. Nur deshalb hatte ich öffentlich erklärt, dass Tassilo von Weiden Rebeccas Vater war. Damit hatte ich die Aufmerksamkeit des gesamten Dorfes auf ihn gelenkt. Er stand jetzt im Mittelpunkt des Interesses, und er hatte seine kranke Tochter bei sich. Damit war er zumindest in den nächsten Stunden handlungsunfähig.
»Thomas Hart muss uns zu Ihrer Tochter führen. Er ist der Einzige, von dem wir definitiv wissen, dass er in die Entführung involviert ist«, sagte Mankiewisc nach einer Weile in meine Ängste hinein. »Inwieweit von Weiden wirklich drinsteckt, das wissen wir im Moment nicht. Wenn wir Hart jedoch vorher festnehmen, bringt das Ihre Tochter in Gefahr. Ist Ihnen das klar? Der Mann kennt keine Skrupel, und er hat nichts mehr zu verlieren. Er hat keinen Grund, uns zu sagen, wo sie ist.« Seine Stimme war leise und eindringlich, und er erklärte mir ruhig und fast beschwörend, dass ihre Sicherheit das Allerwichtigste war.
»Dann dürfen Sie nicht mitkommen«, sagte ich und sah ihn von der Seite an.
»Das werde ich aber«, sagte er so ruhig, als hätte der Satz keine Bedeutung. »Das schaffen Sie diesmal nicht allein.«
Dann erklärte er mir, wie er vorzugehen gedachte, zückte
sein Handy und informierte erst Groß und dann die Leitstelle im Bundeskriminalamt.
46
Ein paar Minuten später erreichten wir der Anwesen der Plotzers. Ich stieg aus dem Wagen und klingelte seitlich des großen schmiedeeisernen Tores.
Das Tor öffnete sich, und wieder einmal fuhr ich die Allee entlang. Im Licht der faden Wintersonne
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