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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Türkis und würde niemals wieder von ihrem Herzen weichen …
    Der Himmel bezog sich rasch. Susanoo ließ den Blick über die Bergflanke wandern. Wenn es wieder zu schneien anfing, war es gefährlich hinaufzusteigen, doch ebenso gefährlich war es, noch einen Tag zu warten und auf Wetterbesserung zu hoffen. Er winkte Masumi zu sich heran.
    Â»Können wir die Mine noch vor Nachteinbruch erreichen?«
    Â»Ich glaube es, Majestät«, erwiderte sie zögernd. »Aber nur, wenn das Wetter gut bleibt.«
    Â»Dann also vorwärts«, sagte er schroff.
    Sie begannen den Aufstieg. Der Schnee war tiefer, als sie vermutet hatten, doch an verschiedenen Stellen hatte der Wind ihn verweht. An den terrassenförmigen Gesteinsablagerungen erkannte Susanoo, dass die Mine schon seit früherer Zeit in Betrieb war. Das Erkunden der Boden- und Felsbeschaffenheit nahm ihre ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, doch sie sahen, wie der Himmel zusehends grauer und fahler wurde. Die Nebelfront hatte mit ihren Schleiern die Sonne ausgelöscht und war, mit den sich auftürmenden Wolkenballen verfließend, unaufhaltsam angewachsen, einem Ungeheuer ähnlich, das im grau schimmernden Nichts lauerte. Der auf und nieder wogende Dunst senkte sich jetzt, ohne jedoch die Bergflanke ganz zu verdecken und ihnen die Sicht zu nehmen. Die Kälte war nicht mehr so durchdringend; es war eher feucht.
    Kein gutes Zeichen!, dachte Susanoo, während er Kubichi über eine Reihe tückischer Felsspalten hinweghalf. Die Fremdartigkeit des Gebirges bedrückte sie, und er ahnte, wie viel Mut sie aufbringen musste, ihm bis hierher zu folgen. Plötzlich blieb sie stehen. Sie hielt den Atem an. Ihre Augen spähten unruhig in alle Richtungen. In der Ferne hörte man ein leichtes, holperndes Aufschlagen.
    Â»Steine!«, murmelte Susanoo. Er gab seinen Begleitern ein Zeichen. »Bleibt, wo ihr seid! Bewegt euch nicht!«
    Sie lauschten, aber alles war wieder still. Doch Susanoo erschauerte im Vorgefühl einer Bedrohung, die er nicht deuten konnte. Es war, als sei der an diesem Ort wohnende Geist von ihnen geweckt worden.
    Als sie weiterkletterten, merkten sie, dass es schneite. Lautlos fielen die Flocken aus dem Nebel herab. Fast gleichzeitig kam Wind auf. Zuerst war es nur eine Luftbewegung, aber dann brach der Sturm los, heulte, tobte und warf sie fast zu Boden. Bereits nach kurzer Zeit waren sie völlig erschöpft. Die Beine waren bleiern und wund gescheuert, der Atem dampfte, die Augen waren von Schnee und Wind blutunterlaufen. Masumi gab Susanoo durch Zeichen zu verstehen, dass sie noch höher hinaufmussten. Susanoo fluchte, als Inue plötzlich stolperte und den Geröllhang ein Stück hinunterrollte. Doch es gelang ihm, Halt zu finden und wieder auf die Beine zu kommen. Sein Gesicht und seine Hände waren aufgeschürft, aber er holte seine Gefährten wieder ein. Sie stiegen weiter.
    Masumi blieb öfter stehen. Ihre Augen suchten angstvoll den Hang ab. Es war Susanoo rätselhaft, wie sie bei diesem Wetter den Eingang zur Grube finden wollte. Plötzlich wehte ihre Stimme undeutlich zu ihm herüber. Sie zeigte auf eine glatte, kahle Felswand, die vor ihnen aus dem Dunst ragte: Ein finsterer Spalt klaffte im Gestein.
    Keuchend stapften sie näher. Ihre Füße traten auf poröses Schlackengestein, das der Schnee rasch zudeckte.
    Susanoo ließ seinen Mantel von den Schultern gleiten, schnürte die Lederriemen seines Harnisches auf und warf ihn Hokiji zu. Vorsichtig näherte er sich dem Spalt; er war breit genug, um einen Menschen hindurchzulassen. Er zwängte sich durch die Öffnung und trat in einen gewölbten Gang, der steil in die Tiefe zu führen schien. Warme, modrige Luft schlug ihm entgegen. Ohne Licht konnte er hier nichts anfangen. Susanoo tastete sich durch den Gang zurück und stieg wieder nach draußen. Der Schnee fiel in dichten Flocken. Susanoo gab durch Zeichen seine Befehle. Während Tsuru ein mitgebrachtes Seil abrollte, lud Inue die Werkzeuge ab, mit denen das Erz aus dem Felsen geschlagen werden sollte. Susanoo schlang das eine Ende des Seils um seine Hüften, während Eisai das andere Ende um eine Felsnase knotete.
    Tsuru war dabei, eine Fackel anzuzünden, als sich ein Poltern in das Heulen des Windes mischte. Entsetzt sahen sie nach oben: Eine Steinkaskade ergoss sich über den Abhang. Immer mehr Steine sprangen von Absatz zu Absatz

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