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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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in die Tiefe und zerbarsten jaulend. Masumi, die nahe bei Kubichi stand, warf sich gegen die junge Frau und drückte sie mit ihrem Gewicht gegen die Felswand. Sie schützte ihren Kopf mit beiden Armen, während die Brocken sirrend und prasselnd an ihnen vorbeisausten. Ein erneuter Windstoß fegte über den Hang. Masumi verlor das Gleichgewicht, versuchte verzweifelt, sich festzuhalten, doch der Sturm riss sie über die Felskante. In einem Wirbel von Steinen und Geröll stürzte sie den Hang hinunter, fast senkrecht in die Tiefe. Das Getöse, das den Absturz begleitete, das Poltern des mitrutschenden Gesteins mischte sich in das Heulen des Orkans. Dann trat langsam wieder Stille ein …
    Kubichi löste sich von der Felswand und beugte sich keuchend über den Abgrund. Susanoo packte sie, zerrte sie zurück. Die junge Frau war totenbleich, ihre Augen schreckgeweitet. Plötzlich stand Eisai neben ihnen. Er warf schaudernd einen Blick in die Tiefe. Masumi lag in einer Felsnische und schien noch zu leben. Susanoo trat vorsichtig an den Rand und prüfte ihn mit seinen weichen Ledersohlen. Was nun?, dachte er. Man muss sie da herausholen. Aber wer? Eisai? Er sah, wie der junge Mann hinunterblickte und die Tiefe abschätzte. Er war totenbleich, und der Schweiß lief ihm übers Gesicht. Er wird es kaum schaffen, da hinunterzuklettern, dachte Susanoo. Der Kindskopf wird die Nerven verlieren und sich das Genick brechen. Tsuru und Inue sind zu schwerfällig, und Hokiji ist ein Krieger, aber kein Bergsteiger. Ich traue es keinem von ihnen zu, es ist viel zu gefährlich; ich werde sie selbst heraufholen müssen! Das war der Entschluss, zu dem Susanoo gekommen war. Doch es war nicht Sache eines Lehnsherren, sich in Gefahr zu begeben, um einem unbedeutenden Untertan das Leben zu retten. Ist es der Mühe überhaupt wert?, fragte er sich. Vielleicht war sie schon längst tot. Aber dann kam ihm sein Versprechen, das er Rina gegeben hatte, in den Sinn. Außerdem war Masumi verunglückt, weil sie Kubichi geschützt hatte, und schon darum stand er in ihrer Schuld. Er überlegte nicht mehr lange: Es ging um seine Ehre. Er zog sein Schwert aus dem Gürtel und reichte es Kubichi. Sie schwieg, aber ihre Augen waren dunkel vor Erregung. Er prüfte den Knoten des Seils und befahl Tsuru und Inue, das andere Ende zu halten. Dann ließ er sich behände die Felswand hinabgleiten. Der Wind zerrte an ihm, und er brauchte alle Kraft, um sich an den Vorsprüngen festzuklammern. Der Schnee fiel weich und dicht. Sein stoßweiser Atem gefror zu weißen Wölkchen und die kalte Luft schmerzte in seinen Lungen. Trotzdem schwitzte er; seine Finger waren blutig und steif. Vorsichtig tastete er sich weiter; die Wand unter ihm war vollkommen glatt. Doch er musste daran vorbei. Endlich fand er einen Riss im Gestein und presste sich atemlos an den Felsen. Er wischte sich die Nässe aus den Augen und spähte nach unten. Masumi bewegte sich nicht. Sie glich einem Schneehügel, der sich in dem rabenschwarzen Loch angehäuft hatte. Susanoo sah nur ihren Arm, der ausgestreckt neben ihr lag. Er schüttelte unwillig den Kopf. Was er da sah, war nicht ermutigend.
    Unter Aufbietung seiner letzten Kräfte glitt er über einen Schneegrat, der mit winzigen, messerscharfen Kristallen übersät war. Er schob sich über die Felsplatte und war dann bei Masumi. Er merkte sofort, dass sie noch lebte. Behutsam strich er ihr den Schnee aus dem Gesicht. Ihr Atem ging stockend und sie war voller Schrammen und blauer Flecken. Ihre Kleider waren zerrissen und blutig. Als er sie vorsichtig aus dem Spalt befreite, erblickte er den zersplitterten Knochen, der unterhalb des Knies aus der Haut ragte. Er lehnte sich an die Felswand zurück, um Klarheit in seine Gedanken zu bringen. Das Bein ist übel zugerichtet, dachte er, aber wenn sie sich nicht innerlich verletzt hat, wird sie am Leben bleiben.
    Plötzlich drang ein Stöhnen über ihre Lippen. Ihre Lider zuckten. Sie schlug die Augen auf und starrte ihn benommen an, während er mit steifen Fingern das Seil aufknotete und es um ihre Taille schlang. »Mein Bein tut so weh«, hauchte sie.
    Â»Es ist gebrochen«, erwiderte er.
    Der verschwommene Ausdruck wich aus ihren Augen. »Was … was ist mit mir geschehen?«
    Â»Du bist abgestürzt. Schweig jetzt, spare deine Kräfte, du wirst sie brauchen.«
    Sie betrachtete ihn

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