Im Zeichen der blauen Flamme
Ihr noch?«, zischte Susanoo.
Kijamas Lider flackerten über den kohlschwarzen Augen. »Auf nichts, Majestät. Verzeiht mir!«
Er schnellte hoch und brüllte seine Befehle. Die Männer schwärmten über die Bergflanken aus. Ihr Atem stieg wie Rauch in die kalte Luft. Die Fackeln züngelten im Schneewirbel.
Diener halfen, Masumi ins Lager zu tragen. Im Schutz einer Felswand hatten die Krieger Schneehöhlen gegraben und sie mit Steinen ausgelegt. Die Pferde waren hinter Windschutzplanen angepflockt worden. Reisstrohpanzer schützten sie vor der Kälte. Die Wachen schritten auf und ab. Susanoo und seine Begleiter kauerten sich an der Feuerstelle nieder und hielten die Hände über die wärmende Glut. Trockene Kleider, Reis und heiÃer Tee lieÃen sie langsam wieder zu Kräften kommen.
»Sie werden den Alten nicht finden«, sagte Kubichi.
Susanoo runzelte die Stirn. »Warum meinst du das?«, fragte er in möglichst ruhigem Ton.
Sie schauderte. »Der Berg schützt ihn!«
Aus Angst, sie noch mehr zu beunruhigen, hatte er ihr Masumis Geständnis verschwiegen. Umso mehr verwunderten ihn ihre Worte. Er streckte die Hand aus und strich ihr über die nassen Locken.
»Du solltest schlafen«, sagte er zärtlich.
Sie legte sich in ihrem Pelzumhang in die warme Asche. Er erhob sich und trat aus dem Lichtkreis des Feuers. In der Ferne sah er die Fackeln wie rote Leuchtkäfer irren. Er spülte sich den Mund aus und spuckte den Rest des Tees in den Schnee.
Die sollen mir nicht eher vor die Augen treten, bis sie den Wahnsinnigen gefunden haben!, dachte er.
Er ging, sich nach Masumi erkundigen. Eisai zeigte ihm die Schiene, die er mithilfe eines Stockes für die Verletzte angefertigt hatte. Susanoo beugte sich über das Mädchen. Ihre Augen glänzten und ihr Körper zitterte in Fieberschauern. Ihr Anblick bedrückte ihn. Vermutlich würde ihr Bein für immer steif bleiben.
Sie wollte zu ihm sprechen, doch er schüttelte den Kopf. »Schweig lieber, schone deine Kräfte!«
Sie atmete stoÃweise. Als ihr Kopf zur Seite fiel, sah er auf ihrer Wange die Spuren von Tränen.
In der Nacht hörte das Schneetreiben auf. Der Boden vereiste und wurde zu einer spiegelglatten Fläche. Das Morgenlicht dämmerte, und die Diener rührten in den Kesseln über den Feuern, als ein atemloser Krieger ins Lager stürmte. Sein Gesicht war blau vor Kälte, und Eis hing zwischen den Ketten seiner Rüstung. Plötzlich strauchelte er und fiel, nach Luft schnappend, der Länge nach hin. Stöhnend wälzte er sich zur Seite und sah Susanoo im Feuerschein über sich stehen.
»Ich stolperte ⦠Majestät, verzeiht!«, stieà er hervor.
»Ich habe dir ein Bein gestellt, du einfältiger Narr! Habt ihr den Alten gefunden? Wo ist er?«
Zähneklappernd verneigte sich der Mann. »Majestät ⦠wir ⦠wir haben Spuren entdeckt!«
Susanoo überlegte blitzschnell. Es war einleuchtend, dass sich der Alte während der Nacht irgendwo verkrochen hatte. Bei Tagesanbruch hatte er dann seinen Schlupfwinkel verlassen. Er steckte sein Schwert in den Gürtel.
»Es ist besser, ich nehme die Sache selbst in die Hand. Kijama, der Idiot, lässt ihn womöglich noch einmal laufen!«
Kubichi zog den Pelzmantel enger um sich. Sie nahm ihren Bogen und hing den Pfeilköcher über die Schulter. Von Hokiji und Eisai begleitet, stapften sie hinter dem Mann her durch den kniehohen Schnee. Der Morgenhimmel war korallenrot. Es fiel ihnen auf, dass die Temperatur gesunken war. Neuschnee lag in den Mulden und Einschnitten der Bergflanke, auf der sich die erschöpften Männer wie graue Schemen bewegten. Auf halber Höhe wankte ihnen Kijama entgegen. Sein Haar war eisverkrustet. Er verneigte sich unterwürfig und führte sie zu der Stelle, wo die Fährte gesichtet worden war. Der Abdruck der nackten FüÃe wies den Berg hinauf.
»Die Spuren sind ganz frisch«, stellte Susanoo fest.
Kijama nickte. »Sehr weit kann der Mann nicht sein.«
»Nun?«, knurrte Susanoo. »Sollen wir hier stehen bleiben?«
Kijama schnaubte einen Befehl. Wie Menschen, die eine schwere Last wieder aufnehmen, setzten sich die Männer in Bewegung. Der Atem stand ihnen wie weiÃe Wölkchen vor den erstarrten Gesichtern. Susanoo und seine Begleiter stiegen hinter ihnen her, den Blick auf die sich
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