Im Zeichen der blauen Flamme
knistern hörte. Und dieses Schweigen hatte nichts mehr mit Ãberraschung zu tun. Es war ein Schweigen der Furcht. Iri entging diese Stimmung nicht. Seine Lippen wurden schmal und weiÃ. Seine Stimme klang wie ein scharfes Kläffen.
»Hört auf, mit dem Kopf in den Wolken zu schweben! Ihr überschätzt den Einfluss des Herrschers von Izumo auf die Ainu. Habt ihr schon vergessen, dass es der Herrscher von Izumo war, der ihren König Azamaro getötet hat?«
»Nein, Majestät. Aber â¦Â« Yi-Am unterbrach sich.
Iris Augen blitzten ihn an. »Weiter! Sprecht offen â¦Â«
»Sehr wohl, Majestät.« Yi-Am verneigte sich. »Ein Bündnis mit dem König von Izumo würde den Häuptlingen von groÃem Nutzen sein. Falls sie sich in ihren Beratungen für den Krieg entscheiden, werden sie den Beistand des Königs befürworten. Für uns allerdings kann das unangenehme Folgen haben. Der Herrscher von Izumo ist viel zu schlau, als dass er seine gesamten Streitkräfte in einer einzigen Schlacht zum Kampf aufriefe. Er wird warten - die Waffe drohend erhoben und schlagbereit -, bis wir uns in die Wildnis hinauswagen.«
Iri lächelte kühl. »Ohne sein Schwert, das hier im Heiligtum ruht, ist er nicht stärker als jeder gewöhnliche Mann.«
Yi-Am lieà sich nicht beirren.
»Verzeiht, Majestät. Er ist ein guter Stratege, und ich bin überzeugt, dass er sowohl unsere Absichten wie die der Ainu durchschaut.« Sein kühler Blick wanderte über die Männer. »Ich bin der Meinung, dass wir handeln sollten, bevor die Banner von Izumo über dem Beratungsfeld wehen!«
Yi-Am neigte die Stirn, einmal vor dem König, einmal vor den Offizieren, und wippte dann auf seine Fersen zurück. Eine Bewegung ging durch die Reihen der Ratsteilnehmer. Ein dumpfer Ton, gleich dem Atemholen eines knurrenden Hundes, stieg aus einigen Kehlen. Doch Iri hob die Hand. Sein Grinsen war nur ein leichtes Zucken um seine Mundwinkel.
»Der Tag ist nicht mehr fern, an dem wir angreifen werden. Doch zuvor beabsichtige ich, meinen verkappten Falken loszulassen, und bei allen Geistern! ⦠Jetzt ist die Zeit gekommen, dass er mir Beute schlägt.«
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Karas vernahm ein zaghaftes Pochen an der Schiebetür. Seine in der Wildnis geschärften Sinne waren sofort hellwach.
»Ja?«, flüsterte er.
Die Tür glitt zurück. Eine Frau - offensichtlich eine Zofe - kniete auf der Schwelle. Karas lag mit zerzaustem Haar auf seinen Decken und stützte sich mit der einen Hand, während er mit der anderen sein Schwert umfasst hielt.
»Was willst du?«, zischte er.
Die Frau verneigte sich. Ihre Gestalt hob sich undeutlich in der Dunkelheit ab.
»Herr, verzeiht mir«, sprach sie leise. »Jemand lässt Euch zu sich bitten. Geruht, mir zu folgen. Aber bewegt Euch wie ein Schatten, denn dieses Treffen muss geheim bleiben.«
Karas überlegte kurz. Er wusste, die Festung war voller Intrigen, Geheimnisse und Gefahren. Bis jetzt hatte er sich - aus Schüchternheit und Stolz - von allem ferngehalten. Doch hätte es ihm keine Ruhe gelassen, die Dienerin wieder fortzuschicken, ohne zu wissen, worum es sich handelte. So kleidete er sich rasch an und befestigte seinen Knoten. Das Schwert steckte er in seine Schärpe. Dann folgte er der Frau, die sich lautlos durch die verdunkelten Gänge bewegte. Die Wachtposten, denen sie begegneten, nahmen keine Notiz von ihnen. Karas vermutete, dass ihr Schweigen erkauft worden war. Bald merkte er, dass ihn die Frau in jenen Teil der Burg führte, wo sich die Gemächer der Hofdamen befanden. Sein Herz begann, heftig zu klopfen. Die Decke des Ganges wurde von rot und blau bemalten Pfosten getragen, und der Boden war mit Matten ausgelegt, die den würzigen Geruch frischer Gräser ausströmten. Plötzlich bedeutete ihm die Zofe zu warten. Sie kauerte nieder, schob mit leisem Geräusch eine Tür zur Seite und verneigte sich, die Hände auf dem Boden übereinandergelegt.
Zögernd trat Karas in einen kleinen, wunderschön eingerichteten Raum. Das Licht einer einzigen Fackel glitzerte auf dem goldenen Schnitzwerk der Deckenbalken und Pfosten. Vor dem Wandschirm mit einem Blumenmotiv aus eingelegtem Perlmutter kniete eine Frau. Sie trug ein Gewand in blau schimmerndem Grün und darüber einen Schleier aus durchsichtiger Seide. Ihre breite Schärpe zierte ein silbernes
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