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Im Zeichen der blauen Flamme

Titel: Im Zeichen der blauen Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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ja, das ist sehr schlau!«
    Iri lachte. »Ich schenke dir den Hasen. Du kannst ihn der Ehrenwerten Ama no Uzume mitbringen. Sie wird sich einen Kragen für ihr Wintergewand daraus anfertigen lassen. Unsere Frauen lieben solche Geschenke.«
    Er warf den Hasen seinem Treiber zu. Dann schwang er sich in den Sattel und ritt im Galopp den Hügelkamm hinauf. Er war mit sich selbst sehr zufrieden.

14
    A ma no Uzume klatschte leise in die Hände. Eine Zofe brachte einen mit Perlmutter eingelegten Schildkrötenpanzer, der mit drei Saiten aus Rosshaar bespannt war. Sich verneigend reichte sie der Kurtisane ein winziges hölzernes Plektron. Ama no Uzume streifte die Ärmel ihres Gewandes zurück und entblößte ihre weißen, unvergleichlich zarten Hände. Sie hob das Instrument auf ihre Knie und zupfte einen Akkord. Plötzliche Stille, Lachen und Gespräche verstummten. Ein zweiter Akkord: Ein schwingender, hoher Ton erfüllte den Saal. Dann, zum Klang des Saitenspiels, begann Ama no Uzume zu singen. Ihre geschmeidige Stimme stieg und fiel mit leisem Trillern.
    Karas blinzelte verstört. Er hatte schon reichlich getrunken und das Licht der Fackeln brannte in seinen Augen. Er blickte die Sängerin wie ein Traumwesen an. Unwirklich, überirdisch war ihre bezwingende Schönheit. Bald fühlte Karas, wie er eingewoben wurde in das unsichtbare Tongewebe. Er selbst wurde zu einem Teil der Musik, und seine verzauberte Fantasie schenkte ihm Visionen von tropfenden Eiszapfen und glitzernden Quellen, von rauschendem Regen und verschwenderischem Sonnenlicht, von sprießenden Blättern und sich öffnenden Blumenkelchen. Und die Sängerin selbst wurde zur Frühlingsfee, ihre hauchzarten Schleier stellten die Nebel dar, aus der sie geboren wurde, um über taufeuchte Gräser zu schweben. Ihr Gewand war vom zarten Rosa der Kirschblüten und ihr Korallengeschmeide schaukelte wie Knospen im Wind.
    Ama no Uzume sang; ihre Wimpern bebten wie Schmetterlinge und ihr Lächeln war bezaubernd. Karas rieb sich die entzündeten Lider. Er war erfüllt vom Bewusstsein ihrer Gegenwart, ihres Parfüms. Er hielt sein Trinkgefäß hoch. Eine Dienerin füllte das Schälchen und er leerte es in einem Zug. Seine Kehle war trocken, doch der Reiswein vermochte seinen Durst nicht zu löschen.
    Er merkte nicht, wie ihn Iri von der erhöhten Estrade aus mit kaltem, berechnendem Blick beobachtete; merkte nicht, wie er der Dienerin unauffällig Zeichen gab, seine Weinschale wieder und immer wieder zu füllen …
    Â 
    Die Stallungen, die breite Stoffbahnen vor dem Wind schützten, waren sauber und geräumig. Jeden Morgen wurde der Boden mit frischem Sand und getrocknetem Mist bestreut, damit die Hufe der Pferde weich standen. Die Tiere waren mit ihrer Leine an Pfähle gebunden. Jedes einzelne war von makelloser Schönheit. Die langen, dichten, sorgsam gebürsteten Mähnen und das hellbraune, fuchsrote, schwarze oder weiße Fell schimmerte wie kostbare Seide. Iri beobachtete aufmerksam die Stallburschen, die die Tiere striegelten. Auf seinen Wink hin brachte ihm einer der Jungen einen Klumpen Salz. Iri schritt bedächtig von einem Pferd zum anderen. Während er das Salz verteilte, strich er den Tieren über das Fell, untersuchte ihre Fesseln, prüfte die Augen und Zähne. Seine Ordonnanz, einige Offiziere und Karas folgten in respektvollem Abstand.
    Schließlich nickte Iri dem Stallmeister anerkennend zu. »Die Pferde haben den Winter gut überstanden.«
    Der Mann verbeugte sich tief; er zeigte durch die Unterwürfigkeit seiner Haltung, wie sehr ihn das Lob des Königs mit Genugtuung erfüllte.
    Iri verließ mit raschen Schritten die Stallungen. Der Himmel war tiefblau und die Sonne funkelte auf den Strohdächern. In der Nacht hatte es geregnet; die Luft war vom Duft der feuchten Erde erfüllt. Auf der Terrasse, unter den Pfosten, wurden Sitzkissen aus Brokat ausgelegt. Iri entließ die Offiziere und befahl Karas, an seiner Seite Platz zu nehmen. Die Höflinge im Hintergrund wechselten beredte Blicke. Der Ainu stand wahrhaftig in hoher Gunst beim König.
    Diener brachten Reiswein und Tee. B eide tranken schweigend. Dann ergriff Iri das Wort. »Der Frühling kündigt sich an und die Flüsse sind wieder schiffbar. In Kürze werden wir unseren Weg zum Ostmeer fortsetzen. Den Aiu-Utari gegenüber will ich Milde walten lassen.

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