Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
gefährlich?“
„Krähe wird auf mich achtgeben“, beschwichtigte sie ihn. „Leg dich hin.“
Rhia kniete sich auf die Decke neben Marek und begann zu singen – leise, damit sie die Kinder im Lager nicht weckte. Ihre Lippen bewegten sich, und ihre Kehle war angespannt, aber aus ihrem Mund drang kein Laut. Sie wusste, dass Krähe sie dennoch hören konnte.
Rhia beendete den Gesang und legte sich auf den Rücken, Schulter und Hüfte an die von Marek geschmiegt.
Lycas klopfte mit einem kleinen Holzstück eine leise Versiondes rituellen Trommelns. Rhias Atem wurde tiefer und gleichmäßiger, als sie durch den Nebel in das Graue Tal trat.
Es war Nacht. Der Himmel lag schwarz und sternenlos über ihnen, aber die Felsen glitzerten, als wären sie mit Schnee bestäubt, und der Vollmond beschien sie mit seinem Licht. Selbst der tote Baum leuchtete weiß, als wären seine Äste aus glänzendem Marmor.
Rhia wartete, aber niemand kam. Zum ersten Mal fühlte sich das Graue Tal an wie ein Ort zerbrechlichen Friedens.
Sie wandte sich nach links, um in einem Teil des Tals zu suchen, den sie noch nie betreten hatte. Kein Wind fuhr ihr durch die Haare oder brachte die Zweige des Baumes zum Ächzen. Auch wenn sie leise trat, hallten ihre Schritte laut durch die vollkommene Stille.
Hinter ihr erklang ein Knurren, dann ein metallisches Scheppern.
Rhia drehte sich zu dem toten Baum um. Eine Frau mit goldenen Haaren hockte in seinem nebligen Schatten, sie hatte Rhia den Rücken zugewandt.
Wart Ihr Basha Mylosa?
Die Frau stand so erhaben auf, als würde sie einen Gast empfangen. Ihre Locken fielen ihr die Schultern hinab und glänzten im Licht des unsichtbaren Mondes.
Ich werde immer Basha Kantera Mylosa sein.
Zu ihren Füßen stand ein Käfig, der in eine Decke gehüllt war. Etwas darin fiepte und heulte.
Still! Mit der Ferse trat Basha gegen den Käfig.
Die Hitze ihres Zorns ließ Rhia erschaudern. Ruhig sagte sie: Die andere Seite ist sehr friedlich. Dort ist es viel schöner als hier. Aber Ihr könnt nicht dorthin, wenn Ihr ihn nicht aufgebt.
Woher weißt du, wie es dort ist?
Ich war dort.
Und du bist zurückgekommen? Mit leuchtenden Augen trat Basha einen Schritt vor. Ich will auch zurückkommen.
Das könnt Ihr nicht.
Bring mich zurück, und du kannst ihn haben.
Das würde ich nicht tun, selbst wenn ich könnte. Rhia zwang sich, stehen zu bleiben. Gebt ihn mir.
Basha warf den Kopf in den Nacken und lachte. Niemand erteilt mir Befehle, schon gar nicht die kleine Schlampe meines Mörders.
Ich weiß, wie Ihr ihn bekommen habt. Rhia deutete mit einem zitternden Finger auf den Käfig mit dem Fuchs darin. Ich weiß, was Ihr ihm angetan habt.
Aber du weißt nicht, was er mit mir gemacht hat. Basha trat näher, wiegte ihre Hüften und ließ den Saum ihres langen weißen Rocks tanzen. Wie er mich dazu gebracht hat, Nacht für Nacht seinen Namen zu schreien.
Hört auf.
Wie er mir neue Welten voll brutaler Lust gezeigt hat, von denen ich bisher nicht einmal etwas geahnt hatte.
Haltet den Mund. Rhias Stimme brach.
Er hat es geliebt! Bashas Augen glänzten wie die eines jungen Mädchens, das von seiner ersten Liebe sprach. Und er hat mich geliebt. Sie blieb dicht vor Rhia stehen und betrachtete sie. Ich habe das Biest in ihm befreit, den Teil, den er bei einer zerbrechlichen Kreatur wie dir nie zeigen konnte. Sie zupfte an Rhias Ärmel.
Genug. Rhia schob Bashas Hand von sich, ehe ihr klar wurde, dass sie zum ersten Mal eine der toten Seelen berührt hatte. Gib ihn mir! , forderte sie erneut, oder ich mache dir ein Ende.
Tut mir leid, das funktioniert nicht. Basha schüttelte die Finger, die Rhia berührt hatte, als würde Dreck an ihnen kleben. Ich bin schon tot.
Nicht so tot, wie du sein könntest. Rhia spürte Krähe in ihrer Nähe, der auf ihre Entscheidung wartete.
Basha kniff die Augen zusammen. Du bist als Lügnerin genauso armselig wie als Geliebte. Wenigstens hat Marek das gesagt.
In Rhia kochte die Wut hoch und bettelte darum, sie etwas tun zu lassen, das sie bis zu dem Tag, an dem sie selbst das Graue Tal durchschritt, bereuen würde.
Ich glaube, ich bleibe hier. Basha kehrte zum Käfig zurück und setzte sich darauf. Sie verschränkte die Beine und stützte sich auf ihre Hände. Ich werde zusehen, wie dein Hund von einem Ehemann in deiner Umarmung verdorrt. Ich sehe zu, wie eure Ehe zu einer leeren, leidenschaftslosen Hülle wird. Und ich werde zusehen, wie euer einziges Kind zu Tode kommt,
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