Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
„Dafür haben wir später noch Zeit“, sagte sie zu ihm. „Das hier ist wichtiger.“
Er nickte. „Nach einem Jahr überlegen wir es uns noch einmal neu.“
„Nach fünf Jahren.“
„Drei.“
Sie lachte leise. „Drei Jahre also.“
Bald stießen sie auf die Wagen, die bereits in ihre Richtung unterwegs waren.
Lycas kam ihnen als Anführer der Gruppe entgegen, gekleidet in die zu enge Uniform eines der toten Soldaten. Er zog einen langen Dolch aus dem Gürtel, als er Kiril sah. „Wer ist das?“
„Unser neuester Kamerad“, erklärte Filip. „Er ist durch Kriegerehre an mich gebunden. Und er hat seine eigene Gabe.“
Der Bärenmarder kniff die Augen zusammen. „Du machst Witze.“
Filip drehte sich zu Kiril um. „Zeig es ihm.“
Der Leuchtkäfer hob die Hände und legte sie zu einer leeren Kugel zusammen, die sich einen Augenblick später mit gelbweißem Licht füllte.
Lycas sperrte den Mund auf. „Das dürfte praktisch werden. Aber behaltet ihn im Auge. Er bekommt keine Waffen.“
Die Gruppe bewegte sich, so schnell sie konnte, durch die Dunkelheit. Kiril schenkte ihnen Licht, und Adrek und Lycas führten sie mithilfe ihrer Nachtsichtgabe.
Innerhalb weniger Stunden erreichten sie eine Kreuzung. Sie bogen nach rechts, gen Norden, fort von Surnos, auf das Land ihres eigenen Volkes zu.
Im ersten Morgenlicht fanden sie einen Ort im Wald, an dem sie die Straße weit hinter sich lassen konnten, um sich zu verstecken und sich um die Kinder zu kümmern.
Den ganzen Tag horchten sie aufmerksam nach anderen Reisenden auf der Straße. Jedes Mal wenn Pferde zu hören waren, wurde ihre Gruppe vollkommen still. Es schmerzte Alanka, zu sehen, wie selbst die jüngsten Kinder sofort begriffen, wenn sie in tödlicher Gefahr waren.
Sobald die Sonne hinter den waldbewachsenen Hügeln unterging, bereiteten sie sich darauf vor, wieder aufzubrechen. Alanka sah Filip an. „Es wird Zeit, es ihnen zu sagen.“
Sie gingen zu Rhia, die die Kleinkinder hoch zu Nelma in den Wagen hob. Sie drehte sich um, als Alanka auf sie zukam.
„Was ist los?“, fragte Rhia sie. „Du siehst so traurig aus.“
Alanka berührte ihre Freundin an der Schulter. „Ich bin hier, um mich zu verabschieden. Wir bleiben in Ilios, bis wir die anderen Kalindonier und Asermonier gefunden haben.“
Rhia lächelte, obwohl ihre Augen sich mit Tränen füllten. Sie umarmte Alanka fest. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, außer dass ich dich vermissen werde. Und dir danke.“
„Ein Pferd und ein Wolf gegen die gesamte ilionische Armee?“ Arcas erschien auf der anderen Seite des Wagens. „Ihr werdet Hilfe brauchen.“
„Meldest du dich freiwillig?“, fragte Filip.
Von der anderen Seite des Lagers her rief Koli: „Nicht ohne mich!“
Ein Lächeln breitete sich auf Arcas’ Gesicht aus. „Dann sind wir ein Team. Wir können auch Suchtrupps ablenken, die sich vielleicht auf die Suche nach den Kindern begeben werden.“
„Danke.“ Filip nahm Alankas Hand und sah erstaunt aus. „Dann sind wir vier. Fünf mit Kiril.“
„Sechs.“ Lycas kam auf sie zu. „Sobald ich alle sicher nach Velekos gebracht habe, komme ich zurück. Wir treffen uns in Surnos.“
„Was ist mit deiner Tochter?“, fragte Alanka.
„Ich will bei ihr sein.“ Lycas fuhr mit dem Finger am roten Futter seiner Uniform entlang. „Aber noch mehr will ich ihre Zukunft sichern und dafür sorgen, dass sie in einem freien Land aufwachsen kann.“
„Ich passe auf sie auf, so gut ich kann“, sagte Rhia. „Und soweit Mali mich lässt.“
Jemand berührte Alankas Hand. Sie drehte sich um, fand hinter sich Marek und umarmte ihn fest. Ihre Kehle schnürte sich so fest zu, dass sie kaum sprechen konnte.
„Ich habe dich doch gerade erst wieder“, flüsterte sie. Als sie ihn losließ, streichelte sie ihm die Wange. „Eines Tages wirst du wieder Wolf sein.“
Er nickte, auch wenn die Traurigkeit in seinen Augen verriet, dass er ihr nicht glaubte. „Bring sie alle nach Hause, Alanka. Erwecke Kalindos wieder zum Leben.“
39. KAPITEL
M arek starrte den Marison hinab, der im Licht des abnehmenden Mondes glitzerte. Der klare wenig Wasser führende Fluss bezeichnete die Nord-Süd-Grenze zwischen Ilios und dem Land der Wiedererwachten, wie er jetzt von seinem Volk dachte.
Er war frei, wenigstens äußerlich.
Seine Arme schmerzten davon, rastlose Kinder zu tragen. Ihre Gruppe hatte die Wagen vor zwei Wochen hinter sich gelassen, damit sie sich von der Straße
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