Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
geschlachtet durch die Hand von …
Nicht! Rhia hob die Hand, um Krähe ein Signal zu geben.
Flügel begannen zu rauschen, aber als sie aufsah, war es nicht das Nachtschwarz der Krähenfedern, das den Himmel verdeckte.
Rabe kam zu ihr geflogen.
Rhia ließ sich auf die Knie fallen und bedeckte das Gesicht. Ein eisiges Gefühl der Scham durchfuhr sie bei dem Gedanken an das, was sie gerade fast getan hätte.
Rhia, sieh mich an , sagte eine Stimme, die wie Wasser plätscherte. Es gibt etwas, das du wissen solltest.
Sie ließ die Arme sinken, um den Vogel, der in allen Farben schillerte, anzusehen.
Diese Frau hat Mareks Seele gestohlen, weil jemand anders ein Stück von ihrer bei sich hat. Rabe neigte den Kopf. Du kannst ihr ein Ende machen, wenn du das wünschst. Oder ihr helfen.
Rhia sah Basha an, die den Geist aller Geister mit offenem Mund anstarrte. Der Fuchs im Käfig war hinter der Decke verstummt.
Wie kann ich ihr helfen?
Finde das fehlende Stück und bring es zurück zu ihr.
Rhia sah sich im Tal um. Ich sehe hier niemanden sonst.
Er versteckt sich. Er kann nicht sprechen.
Rhia sah den Käfig an. Es wäre so einfach, Basha auszulöschen.
Einfach im ersten Augenblick. Dann würden die anderen Augenblicke kommen, einer nach dem anderen, aufgereiht bis zu ihrem eigenen Tod, in denen sie mit etwas leben musste, was sie nie mehr würde rückgängig machen können.
Sie kehrte dem Baum den Rücken zu.
Sei gewarnt , sagte Rabe. Der Ort, an den du gehen wirst, ist weiter entfernt und schwerer zu erreichen als jeder andere. Du riskierst auf diesem Weg dein eigenes Leben.
Rhia blieb stehen. Vielleicht konnte sie ein anderes Mal zurückkommen, wenn sie kräftiger war. Marek konnte warten.
Nein. Sie hatte den toten Blick in seinen Augen gesehen. Sie musste ihren Mann zurückbekommen, ehe Basha sich an einem fernen, verborgenen Ort des Grauen Tals verkroch, wo sie, Rhia, sie nie mehr finden würde.
Rhia trat einen Schritt vor, dann noch einen. Auch in diese Richtung sahen die Felsen alle gleich aus.
Dann wand das Tal sich nach links und führte sie um eine Kurve, bis der karge Baum dahinter nicht mehr zu sehen war.
Sie bekam eine Gänsehaut. Vor ihr lag ein dunkler Schlund, der wie eine Wunde in den blassen Fels gehauen war. Ein Versteck.
Sie ging auf den Eingang zu und steckte die Hand hinein. Sie verschwand vollkommen. Das Licht drang nicht einmal einen Finger weit in die Höhle hinein. Schnell zog sie die Hand zurück, und in ihren Fingerspitzen kribbelte ihre wiedererwachte Angst vor der Dunkelheit, die Angst, die sie einst mit Mareks Hilfe überwunden hatte.
Sie hielt den Atem an und hob einen Fuß, um einzutreten.
Rhia, warte , erklang eine viel zu vertraute Stimme.
Sie biss ihre Zähne zusammen. Skaris war der letzte Mensch, den sie jetzt sehen wollte.
Ich habe etwas, das du brauchst , sagte er.
Lass mich in … Sie unterbrach sich. Seine Stimme klang nicht mehr spottend.
Sie drehte sich zu ihm um und hoffte, es wäre nicht nur wieder einer seiner Tricks.
Skaris stand hinter ihr und hielt die Krähe fest. Sie baumelte ihm nicht mehr von der Hand. Stattdessen saß sie aufrecht und aufmerksam auf seinem Handgelenk.
Der Bär hob den Arm, und die Krähe hob ab. Ihre starken glänzenden Schwingen peitschten auf dem Weg zu ihr durchdie Luft. Der Vogel landete auf ihrer Schulter, und auch wenn sie nichts wog, schien ihre Anwesenheit Rhia zu durchdringen und ihre Nerven zu beruhigen wie ein warmes Bad.
Es tut mir leid , sagte Skaris. Alles tut mir leid. Danke, dass du Lidia gerettet hast.
Sie sah an ihm vorbei. Wo sind Zilus und die anderen?
Weitergezogen. Hatten wohl das Gefühl, die Welt in guten Händen zu hinterlassen. Ich habe gewartet, damit ich dir danken kann, dass du Lidia gerettet hast, und um es dir selbst zurückzugeben. Er deutete auf die Krähe. Dachte mir, das ist das wenigste, das ich tun kann.
Danke , sagte sie, ein Wort, von dem sie nie geglaubt hatte, es dem Bären einmal zu schenken.
Sie sahen zu, wie die Krähe vom Himmel herabsank. Skaris drehte sich plötzlich zu ihr um. Seine braunen Augen waren von der Nacht umschattet.
Warte nicht länger , sagte er. Beeil dich.
Sie duckte sich in die Höhle, ehe ihre Angst erneut aufflammen konnte.
Sie war in jede Richtung nur von Schwärze umgeben, selbst hinter ihr war nichts mehr zu sehen. Sie drehte sich im Kreis, suchte nach Licht und verlor die Balance. Vor Panik wurde ihr die Kehle eng.
Die Krähe griff nach einer ihrer
Weitere Kostenlose Bücher