Im Zeichen der Krähe 2: Die Totenhüterin (German Edition)
Morgensonne den Himmel rot.
„Danke, dass du uns geholfen hast“, sagte er zu seinem Schwager.
Lycas nickte und öffnete dann den Mund, als wollte er etwas sagen, schloss ihn dann jedoch wieder.
„Was ist?“, fragte Marek.
Der Bärenmarder rieb sich das Ohr. „Als ich im Flur in der Villa der Senatorin war und die ganzen Wachen erledigt habe …“
„Ja?“
„Ich habe gehört, was sie zu dir gesagt hat.“
Marek wurde weiß wie die Wand. Der Bruder seiner Frau wusste, dass er untreu gewesen war. „Es tut mir leid.“
Lycas hob eine Hand. „Wenn du dich je wieder dafür entschuldigst, schlage ich dich so fest, dass du eine Woche lang nicht aufwachst. Was diese Frau dir angetan hat …“ Er schlug sich mit der Faust in die Handfläche. „Deshalb habe ich mich gezwungen, sie nicht umzubringen. Ich fand, das Privileg gebührte dir.“
So seltsam diese Aussage auch klang, Marek wusste, von Lycas war sie ein Ausdruck dafür, dass er ihm vergeben hatte. Er musste es von jemandem hören, der nicht Rhia war, jemandem, der nicht verzweifelt wollte, dass es ihm wieder gut ging.
Er stieß einen tiefen Atemzug aus. „Danke.“
„Gern geschehen.“ Lycas klopfte ihm auf die Schulter.
Marek bahnte sich den Weg über Steine und Sträucher hinweg zum Zelt von Nelma und Adrek. Er musste seinen Sohn sehen.
Die Wunde, die Basha ihm zugefügt hatte, würde Jahre brauchen, bis sie verheilt war. Die Erinnerungen daran blieben für immer. Aber vielleicht konnte er das, was er in Leukos gelernt hatte, benutzen, um seinem Volk zu helfen, beim unausweichlichen Angriff der Ilioner Widerstand zu leisten.
Rabe mochte ihre Gabe in dieser Generation verleihen oder der nächsten oder der danach – die Wiedererwachten würden kämpfen.
Rhia keuchte erstaunt auf, als sie die Menge erblickte, die sie am Rand von Velekos erwartete. Auch wenn Bolan schon vor Tagen eine Taube mit Nachricht von ihrer Rückkehr geschickt hatte, hatte Rhia nicht erwartet, das ganze Dorf zu ihrer Begrüßung versammelt zu sehen. Ihr Jubeln hallte an den Klippen der Prasnos-Bucht wider, wo das Wasser im Licht des späten Morgens glitzerte und funkelte.
Ihr Pony scheute, als die Menge sich ihnen näherte, und Nilik wand sich in dem Tuch um ihre Brust. Hinter ihr hielt Mareksie an der Taille umschlungen und deutete nach links.
„Sieh mal“, sagte er, „ganz vorn.“
Mit einer Hand schirmte Rhia die Augen gegen die Sonne ab. Ein breites Lächeln erhellte ihre Miene. „Vater!“
„Lass mich Nilik nehmen, während du vorläufst“, sagte Marek.
„Nein, wir gehen zusammen.“ Sie schnalzte mit der Zunge, um das Pony anzutreiben.
Tereus erreichte sie von allen als Erster, umarmte die Erwachsenen und begrüßte die Kinder mit einem Lächeln. Er half ihr und Marek dabei, vom Pony abzusteigen, und nahm seinen Enkel in die Arme.
„Er ist so groß geworden.“ Tereus verzog das Gesicht, ehe er sich hinabbeugte, um Rhia auf die Wange zu küssen. „Ich wusste, dass ihr es schafft.“
Tränen standen ihr in den Augen, als sie ihren Vater ansah. Dann hörte sie eine vertraute Stimme ihren Namen rufen.
Damen kam auf sie zugeeilt. Sie umarmte ihn so fest, dass er aufstöhnte, dann lehnte sie sich zurück. Die dunklen Ringe unter seinen Augen konnten ein gutes Zeichen sein.
„Dein Sohn“, sagte sie. „Ist er …“
„Auf dem Weg.“ Er stellte sich auf die Zehenspitzen, um hinter sich zu sehen. Nathas führte Reni durch die Menge und schob dabei jeden, der dabei war, sie anzustoßen, aus dem Weg. Die Eichhörnchenfrau hielt ein Bündel in den Armen.
Rhia stieß den Atem aus, den sie fest angehalten hatte. „Deswegen hast du schlecht geschlafen.“
„Geschlafen?“ Er rieb sich die Augen und sah in den Himmel. „Ich erinnere mich dunkel an etwas, das Schlaf heißt.“
Marek kam an ihre Seite und schloss Damen in die bei Kalindoniern übliche feste Umarmung. Rhia wandte sich Reni und Nathas zu und dachte auch daran, sie zu begrüßen, ehe sie das Kind anstarrte.
„Sein Name ist Corek“, sagte Reni. „Im Gedenken an Coranna.“
Rhia begann zu weinen. Mareks und Niliks Verschwindenhatte den Tod von Coranna überschattet. Jetzt waren sie in Sicherheit, und sie konnte endlich um ihre Mentorin trauern.
Damen legte Rhia einen Arm um die Schulter. „Im Rathaus wartet ein Festgelage auf euch“, sagte er sanft. „Das ist der beste Teil, was?“
Sie wischte sich die Augen und nickte. Nur eine andere Krähe konnte verstehen, welch
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