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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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Potsdamer Konferenz begonnen.
    Die Siegermächte haben unterschiedliche Vorstellungen von der künftigen Rolle des Deutschen Roten Kreuzes. Die Amerikaner geben sich noch relativ unbefangen, auch wenn sie das DRK im Fragebogen zur Entnazifierung als » NSDAP -Hilfsorganisation« einstufen und starke Vorbehalte gegen eine Wiedereinsetzung des Dachverbandes hegen. Die Strukturen auf lokaler Ebene lassen sie jedoch bestehen. Schließlich sind die Seuchengefahr, die allgemeine Not, das darniederliegende Gesundheitswesen nicht mit den Nazis verschwunden. Bereits Ende Juli 1945 gibt die Militärregierung grünes Licht für das Bayerische Rote Kreuz, das brav beteuert, »keinerlei Verbindung« zum belasteten DRK gehabt zu haben. Auf Betreiben der Amerikaner fusioniert dort nun auch die Bergwacht mit dem Roten Kreuz. In der britischen Zone werden Landesverbände im Oktober 1945 zugelassen, in der französischen zwei Jahre später. Die sowjetische Militäradministration gestattet dagegen keinerlei Rotkreuzvereine, weder auf Landes- noch auf kommunaler Ebene. Stattdessen überträgt sie deren Aufgaben zunächst den Gemeinden, dem Gewerkschaftsbund und der Volkssolidarität.
    An der Basis geht es drunter und drüber. So verweigern sich die West-Berliner Bezirksstellen unter Berufung auf die Genfer Konvention einer Entnazifizierung – pikanterweise mit der Begründung, dass im Restpräsidium wie auch in den Gesundheitsbehörden zahlreiche Altnazis säßen, die sich zudem auf das faschistische Rotkreuzgesetz von 1937 beriefen. Stattdessen fordern sie eine Reorganisation auf demokratischer Grundlage und eine Frauenquote, da Rotkreuzarbeit in der Hauptsache Frauenarbeit sei. Die Rädelsführerin wird daraufhin umgehend gefeuert. Parallel versuchen einige unbelastete Persönlichkeiten das Rote Kreuz auf nationaler Ebene weiterzuführen. Rudolf Nadolny wird als Vorsitzender auserkoren. Er war einst als Botschafter in Moskau wohlgelitten gewesen und ebendeswegen von den Nationalsozialisten geschasst worden. Mit Verve macht er sich an die heikle Aufgabe und beantragt beim Alliierten Kontrollrat die Schaffung eines gesamtdeutschen DRK . Letztlich sind es dann vor allem Ulbricht und Pieck, die eine solche Neugründung hintertreiben. Ein Rotes Kreuz, das sie nicht gänzlich kontrollieren könnten, würde der Festigung ihrer Macht im sowjetischen Sektor nur im Wege stehen. Es könnte unbequeme Fragen stellen, etwa nach den russischen Speziallagern in Ostdeutschland, in denen Zehntausende von Menschen ums Leben kommen, während die SED darin »eine Bekundung der Humanität der Sowjetregierung« sieht. Auch dass Nadolny bei den Russen gegen die Austreibung der Deutschen aus Polen und der Tschechoslowakei protestiert, liegt ganz und gar nicht auf ihrer Linie.
    Im Oktober 1945 wird das DRK dann von den Besatzungsmächten endgültig aufgelöst. Zu groß sind deren Vorbehalte gegen eine »paramilitärische Formation«, die »von Nazi-Doktrinen vollständig durchdrungen war« und den Opfern der Schreckensherrschaft ihre Hilfe verweigert habe. Die Nachkriegsfunktionäre wollen diese Verstrickung freilich nicht wahrhaben. Lauthals beklagt etwa ein Vertreter Schleswig-Holsteins den »Entnazifizierungwahnsinn« beim Roten Kreuz, statt Rechenschaft über den vorausgegangenen »Nazifizierungswahnsinn« abzulegen. In den Sanitätskolonnen sollen die einst vereinnahmten Mitglieder des Arbeiter-Samariter-Bunds den Rotkreuzkameraden jetzt Persilscheine ausstellen. Allenthalben zeigt sich die Neigung, Dinge ungeschehen machen zu wollen. So fordert Hartmann, selbst Parteimitglied und von den Amerikanern kurzzeitig inhaftiert, dass »diejenigen DRK -Führer, die durch Bindungen zur NSDAP « belastet seien, zurücktreten sollten. Er selbst aber erklärt sich zum »bevollmächtigten Geschäftsführer«; fünf Jahre später wird er Generalsekretär des neuen DRK . Herbert Stamm, der als Verbindungsmann zur Gestapo fungierte und etwa altgediente Rotkreuzler vor Gericht brachte, nur weil sie Freimaurer waren, wird später Landesvorsitzender in West-Berlin. Ludwig Hess, der als Leiter des kommissarischen Komitees noch einhellig abgelehnt wurde, da seine Unterstützung der Nationalsozialisten allzu offenkundig war, bringt es später zum Generalsekretär des Landesverbandes Südbaden. Wilhelm Söth, dem NS -Regime ebenfalls zwölf Jahre lang treu ergeben, tritt noch im Sommer 1945 in die KPD ein und arbeitet auf ein sozialistisches Einheits-Rotkreuz hin.
    Nach dem

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