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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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der Heinkel-Flugzeugwerke einigermaßen bewohnbar. 1500 Menschen finden dort für die nächsten Tage Zuflucht. »Jeder erhielt seinen Strohsack, zwei nagelneue Decken, Bettwäsche, Handtücher, Geschirr und Seife«, berichtet Dietrich Blos. »Sogar Zahnbürsten, die Geschäftsleute nach einem Aufruf über den RIAS in Sekundenschnelle als Spenden anlieferten, wurden verteilt.«

    »Östlicher Tabak, westliche Erbsensuppe«: Heim für Flüchtlinge aus der DDR in Berlin-Tempelhof.
    © P. Wittig / DRK
    Dass das West-Berliner Rote Kreuz selbst eines solch massiven Andrangs Herr wird, ist kein Zufall. Die massenhafte Unterbringung und Versorgung geflohener Ostdeutscher bildet bis zum Mauerbau seine größte Aufgabe. Denn da die innerdeutsche Grenze schon Anfang der fünfziger Jahre abgeriegelt wird, ist nur West-Berlin noch als letzte Schleuse in den Westen offen. Allein 1953 schlagen sich 300000 Flüchtlinge hierher durch. In aller Eile werden fast hundert Heime eingerichtet, in stillgelegten Fabriken, zerbombten Kasernen und früheren Zwangsarbeiterbaracken. Das Notaufnahmelager Marienfelde umfasst gar eine ganze Siedlung. Gut die Hälfte dieser Unterkünfte betreibt das Rote Kreuz. Blos schildert, wie seine Leute angesichts des Ansturms kurzerhand zu Hausbesetzern werden: »Ein anderes Mal nahmen wir Besitz vom ehemaligen Reichsversicherungsamt. Die Eingangstür war nicht mehr vorhanden. Die Lichtanlage funktionierte noch. Nach bewährtem Plan richteten wir uns ein, so daß wir noch am Abend fünfhundert Flüchtlinge unterbringen konnten. Als nach vier Wochen der Zustrom abebbte, verließen wir das Haus ebenso still, wie wir es in Besitz genommen hatten.« Dietrich Blos zählt zu den couragiertesten Köpfen des Deutschen Roten Kreuzes, und er verkörpert dessen Geist und Geschichte in beispielhafter Form: Als jugendlicher Helfer im Ersten Weltkrieg hat er in den Karlsruher Lazaretten noch Großherzogin Luise erlebt.
    Gewöhnlich warten die Flüchtlinge schon um sechs Uhr morgens mit ihren wenigen Habseligkeiten und Hunderten von Kinderwagen vor der Meldestelle. Von dort werden sie auf die Heime verteilt, in denen sie meist einige Monate zubringen, bevor sie eine eigene Unterkunft finden oder, vielfach per Luftbrücke, nach Westdeutschland gebracht werden. Die Heime sind mit dem Notwendigsten bestückt: Bettgestelle, Strohsäcke, Decken. Auch ausreichende Verpflegung kann gewährleistet werden, wenngleich die Bewohner irgendwann des ewigen Eintopfs überdrüssig sind. Waschgelegenheiten und Toiletten dagegen reichen fast nirgendwo aus. Es gibt keine Privatsphäre, und es ist niemals still. Schreiende Kinder, streitende Erwachsene und gebieterische Lautsprecherdurchsagen vermengen sich zu einer Polyphonie der Unordnung. Das durchgemachte Leid, der Abschiedsschmerz, die beengten Verhältnisse – all das macht den Menschen schwer zu schaffen. Auch ist das Klima der Angst noch nicht überwunden: Spitzel mischen sich unter die Flüchtlinge, immer wieder werden Menschen gewaltsam verschleppt.
    Die Flüchtlinge erleben ihre persönliche Stunde null: Es beginnt ein Leben im Transit, hinein in eine ungewisse Zukunft. Ein Lokalreporter beschreibt die Zustände im Rotkreuzlager Am Karlsbad: »Fünf Stockwerke übereinander. Und hinter jedem Fenster hängt Wäsche. In der Luft liegt die ganze Atmosphäre dieses Hauses: Menschenmasse, Strohsäcke, Schlafsaal, östlicher Tabak, westliche Erbsensuppe. Mütter gehen mit Schüsseln voll Windeln zur Waschküche, kochen dort nebenbei noch auf dem Gaskocher den Brei für die Flaschenkinder. Schweden hat schon ganze Serien von Kinderbetten geliefert, und selbst aus Indien und aus Tunis kommen Spenden.«
    Ganz allmählich bessert sich die Ausstattung. Das Dunant-Heim am Askanischen Platz etwa erhält einen Duschraum, der abwechselnd Frauen und Männern zur Verfügung steht. Arztzimmer und Friseurstube werden eingerichtet und sogar ein Zwinger für die Hunde. Die Jugendlichen bekommen einen Klubraum mit Büchern, Radio und Tischtennis. Spielplätze aber gibt es in kaum einem Heim. Dafür rückt die fahrbare Spielkiste in einem großen, von einem Traktor gezogenen Anhänger an, bestückt mit Malkästen, Puppenstuben, Modellautos und Kaufläden. Die Kinder können sie eine Woche lang ausleihen und dann gegen neue Spielsachen eintauschen. Als der amerikanische Frauenklub dem Heim dazu noch neunzig Paar Rollschuhe schenkt, kennt die Begeisterung kein Halten mehr.
    Flüchtlingsbetreuung,

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