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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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willigt freudig ein, ist es doch ihr großer, unerfüllter Wunsch gewesen, Medizin zu studieren. Fünfzehn junge Frauen belegen den Kurs. »Wir mussten antreten in grau-weiß gestreiftem Kleid, weißer Schürze und steifer Haube«, erinnert sie sich. »Wir lernten vom menschlichen Körper, Bau und Verrichtungen, Erkrankungen und Behandlung. Dann nahm man uns mit zu den erkrankten Soldaten. Wir durften umbetten, Medizin eingeben und bei einer Punktion helfen. Und als Furunkel geschnitten wurden, lernten wir, die Ohnmächtigen unter uns schön sachgemäß hinauszutragen.«
    Nach bestandener Prüfung werden die Helferinnen dem Kreisdelegierten des Roten Kreuzes unterstellt; wie häufig in der Provinz hat der Landrat dieses Amt inne. Im Falle eines Krieges sollen sie als angelernte Reserve zur Verfügung stehen. Und so finden sie sich am 2. August 1914, einen Tag nach der deutschen Mobilmachung, fast vollzählig im Garnisonslazarett ein. Doch von der vielbeschworenen Einsatzbereitschaft und der straffen Organisation der Rotkreuzeinheiten ist nichts zu sehen. Es kommen keine Berufsschwestern, es gibt keine Führung. Die Militärärzte können zwar die Dienste der Helferinnen gut gebrauchen, lehnen aber jede Verantwortung für sie ab. Verpflegung und Unterkunft müssen sie selbst bezahlen.
    Die russische Grenze verläuft fünfzig Kilometer entfernt. Schon nach wenigen Tagen herrscht Hochbetrieb im Lazarett, das unweit des Bahnhofs liegt. »Wir verluden jeden Tag, und jede Nacht waren wieder alle Betten belegt.« Lotte Schmidt sterilisiert Instrumente, spritzt Morphium, ruft den Pfarrer. Trotz Tagesdienst muss sie jede zweite Nacht wachen. »Wir haben oft leise ein Bett aus dem Saal gerollt, damit früh nicht die Nachbarn erschrecken.« Auch wenn die Bevölkerung es nicht wahrhaben will: Ostpreußen soll wegen des Zweifrontenkriegs zunächst aufgegeben werden. Die Weichsel dient als Rückzugslinie.
    »Mitte August zog auf unserer Straße ein Flüchtlingszug, tagelang ohne Ende. Leiterwagen mit Kindern und Alten, Hausrat und Futter. Dazwischen trieben sie Vieh. Pferde irrten herrenlos in der Stadt herum. Zwei Landmädel auf der Flucht blieben da und halfen, unausgebildet, in der Küchenschürze. Sie machten später ihre Prüfungen nach, eine bis zur Schwester.« Bald ist Osterode wie ausgestorben. Lotte aber bleibt. Anders als der Landrat, der mit der Kasse durchgebrannt ist und die Mädchen ohne Bezahlung und ohne Anordnungen zurücklässt. Unaufhörlich rollen Transportzüge voll singender Soldaten nach Osten, voll stummer Flüchtlinge nach Westen. »Sonderbar wars, wenn man jemand auf dem Operationstisch hatte, mit dem man noch vor sechs Wochen auf einem Sommerfest getanzt hatte.« Nachts leuchtet der Himmel feuerrot, Schüsse knallen, Kanonen grollen.
    Ist schon Osterode den meisten Deutschen damals kaum ein Begriff, so noch weniger der Nachbarort Tannenberg. Doch binnen weniger Tage wird das ganze Land diesen Namen im Munde führen, da hier eine der großen Schlachten des Krieges tobt. Mittlerweile ist das Oberkommando ausgetauscht worden und die Strategie gleich mit – Ostpreußen soll gehalten werden. Die Generäle Hindenburg und Ludendorff schlagen ihr Hauptquartier direkt gegenüber von Lottes Lazarett auf. »Die Arbeit stürzte über uns her, daß wir Tag und Nacht nicht zur Besinnung kamen.« Der Garten füllt sich mit zahllosen Verwundeten, auch die Kaserne muss bald mitbelegt werden. »Sie kamen, vier, fünf auf einmal in den Operationsraum. Die ersten Russen gingen uns durch die Hände, tapfer und still im Schmerzaushalten.« Die Luft ist erfüllt von den Ausdünstungen blutiger Verbände und verschwitzter Kleider, von Äther und Jodoform.

    »Sofort«: Mobilmachung von Schwestern und Sanitätern in Brandenburg.
    © Verlag Scherl /DRK
    Dann rückt plötzlich ein komplettes Kriegslazarett an: zehn Ärzte, zwanzig Rotkreuzschwestern, vierzig Sanitäter. »Vier Wochen hatten sie hinter der Weichsel gestanden und noch nicht einen Verwundeten gesehen.« Aufgrund taktischer Erwägungen waren sie gar nicht erst eingesetzt worden, während die Soldaten sich an der Front aufgerieben haben. Darunter Major Schmidt, der von Tannenberg für einen Tag nach Hause kommt, schon mit dem Eisernen Kreuz dekoriert. Seiner nicht weniger tapferen Frau aber zollt niemand Anerkennung. Stattdessen darf sie sich die Belehrungen der Oberschwestern gefallen lassen, warum sie nicht jedes Mal die Betten frisch bezogen habe.
    Der Krieg der

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