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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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Möglichkeit, seiner dritten großen Leidenschaft zu frönen: Er hebt eine Gesellschaft aus der Taufe. Die »Société de Géographie de Genève« bildet ein perfektes Forum für seine Ambitionen und bringt ihm zudem wertvolle Kontakte ein. Vier der späteren fünf Gründer des Internationalen Komitees sind dort Mitglied.
    Kurz darauf bringt Dunant eine Huldigung an Napoleon III . heraus, den Kaiser der Franzosen und Neffen Bonapartes. Hintergrund sind seine Algeriengeschäfte. Durch den Tod seiner Tante haben er und seine Geschwister mittlerweile eine beträchtliche Erbschaft gemacht, zu der auch das Haus im Petersbrunnensträßchen gehört. Er bezieht dort eine Wohnung, nimmt eine hohe Hypothek auf und gründet eine Aktiengesellschaft, deren Kapital sich schließlich auf eine Million Franken beläuft. Palmen, Kamele und Berberaffen zieren die Anteilsscheine, die wie Illustrationen zu seinem Tunesienbuch anmuten. Der Erfolgsdruck wächst, die Kosten laufen aus dem Ruder. In der Hoffnung, seine Chancen zu verbessern, erwirbt Dunant sogar die französische Staatsbürgerschaft. Außerdem stiftet er einem Pariser Waisenhaus 40000 Franken, wohl auch, um dem französischen Staat seine Loyalität zu beweisen. Für jemanden, der geschäftlich derart in Bedrängnis ist, bedeutet das eine fahrlässige Ausgabe.
    Am Ende entschließt er sich zu einer verwegenen Aktion – er will den Kaiser sprechen. Ein Machtwort von höchster Stelle könnte die Kolonialverwaltung auf Trab bringen. Die eilig verfasste Huldigungsschrift soll sein Gastgeschenk werden. Dunant stellt sich darin als hundertfünfzigprozentiger Franzose und Bonapartist dar. Er propagiert die Fortführung des Heiligen Römischen Reiches unter französischer Hoheit, mit Napoleon III . als messianischem Führer. In schwindelerregender Unbekümmertheit springt er von Nebukadnezar zu Karl dem Großen und von König Salomon zu Kaiser Konstantin. Selbst wenn diese historische Mission dem Kaiser schmeicheln sollte, tut Dunant sich damit keinen Gefallen, geriert er sich doch offenkundig als Sektierer und Phantast, der von Politik rein gar nichts versteht.
    Unter normalen Umständen hätte er wohl versucht, eine Audienz in Paris zu erwirken. Aber genau zu dieser Zeit zieht Napoleon in einen Krieg gegen Österreich. Was Dunant auf die Idee eines zweiten Gastgeschenks bringt: Er will der französischen Armee Getreidelieferungen aus Mons-Djémila offerieren. In Anbetracht des Krieges ein durchaus vernünftiger Gedanke, der seine überstürzte Italienreise fundierter erscheinen lässt, als er selbst sie später dargestellt hat. Mitte Juni 1859 macht Dunant sich auf den Weg: Erst mit der Eilkutsche, dann in einem gemieteten Cabriolet – einer zweirädrigen, halboffenen Kutsche – versucht er, den Kaiser einzuholen. Es wird eine schicksalshafte Reise nach Italien.
    Fratelli d’Italia
    Die Lombardei ist damals seit anderthalb Jahrhunderten österreichisch. Doch diese Epoche neigt sich dem Ende zu, jenes Europa der Dynastien, in dem die Verbindungen der Fürstenhäuser wichtiger waren als die Nationalität der Untertanen. Spätestens mit den Aufständen des Jahres 1848 wird der Nationalismus zur mächtigsten politischen Kraft. In einem Geheimbündnis sind Napoleon und Camillo Benso von Cavour, Premierminister von Sardinien unter König Viktor Emanuel II ., übereingekommen, das Habsburgerreich zu einem Krieg zu provozieren, um auf diese Weise die Einigung Italiens zu erzwingen. Als Gegenleistung soll Frankreich Nizza und Savoyen erhalten. Napoleon III . will sich um jeden Preis Renommee verschaffen, besitzt er doch als Abkömmling eines Usurpators noch weniger Legitimität als sein Onkel. Eine Schlappe für Österreich würde, in Verbindung mit den Gebietsgewinnen, Frankreichs Glorie mehren, und die seinige dazu.
    Aufgrund ihrer Lage ist die Schweiz Nachbar aller drei Konfliktparteien – und durchaus selbst Akteur. Ein Regiment der französischen Fremdenlegion ist rein schweizerisch besetzt. Und als sich die Bewohner von Perugia, das zum Vatikanstaat gehört, dem Unabhängigkeitskampf anschließen, richtet die päpstliche Schweizer Garde dort ein Blutbad an. Die Schlüsselrolle aber spielt Savoyen, das seit jeher auch Schweizer Einflussgebiet gewesen ist. Als der Kuhhandel zwischen Cavour und Napoleon schließlich herauskommt, stehen die Eidgenossen kurz davor, in Savoyen einzumarschieren. General Dufour hat bereits den Oberbefehl für den Ernstfall erhalten. Es fehlte nicht viel,

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