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Im Zeichen der Menschlichkeit

Im Zeichen der Menschlichkeit

Titel: Im Zeichen der Menschlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schomann
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krank und erschöpft, mit einem Öllicht durch die Säle geht, um nach den zahllosen Patienten zu sehen, prägt sich ins kollektive Gedächtnis ein. Ihr selbstloser Einsatz hat den Boden für den Aufbau des Roten Kreuzes mitbereitet. Gustave Moynier hat sich auf einem Kongress in London mit ihrer Arbeit vertraut gemacht. Und Dunant bezeichnet sie später gar als »Heilige«. Weniger bekannt ist dagegen seine zweite Kronzeugin aus dem Krimkrieg: Prinzessin Charlotte von Württemberg, Gemahlin des russischen Großfürsten Michael. An der Spitze von über dreihundert Pflegerinnen umsorgt sie unermüdlich Verwundete. Dunant hat sie später selbst getroffen, sie hat ihn in seinem Sinnen und Trachten bestärkt und ist zu einer wichtigen Mittlerin des Roten Kreuzes in Russland geworden.

    Männer leiden, Frauen helfen – eine archetypische Szene aus dem Krimkrieg, der Florence Nightingale berühmt machte.
    © DRK
    So reichen denn die Wurzeln der Rotkreuzbewegung noch etwas weiter zurück als nur bis Solferino. Der Krieg am Schwarzen Meer gerät zu einer Generalprobe, bei der die Staaten Europas auf einer abgelegenen Außenbühne jene Manöver einüben, die sie bald darauf auch im Stammhaus durchexerzieren werden. Hätte Dunant – Jahrgang 1828 –einer anderen europäischen Nation angehört, er wäre ziemlich sicher eingezogen worden. Als Schweizer bleibt ihm dies erspart.
    Ende 1856 aber, beim Konflikt um Neuchâtel (Neuenburg), soll auch er mobilisiert werden. Die Juraregion besitzt zugleich den Status eines Schweizer Kantons und den eines preußischen Fürstentums. Wenngleich Berlins Hoheitsansprüche nur mehr pro forma bestehen, drängen örtliche Royalisten auf Loslösung von der Eidgenossenschaft. Ihr Putsch schlägt fehl, fünfhundert Aufrührer werden gefangen gesetzt. Preußen reagiert und plant den Marsch auf Bern, die Schweiz macht daraufhin mobil. Als Dunant einberufen werden soll, schützt er eine Krankheit vor und bricht schließlich erneut nach Nordafrika auf, um weiteren Schwierigkeiten zu entgehen. Moynier hingegen nimmt als einfacher Füsilier an der »Neuenburgkampagne« teil, unter dem Oberbefehl von General Dufour. Mit Müh und Not kann der Krieg dann doch noch abgewendet werden.
    Anleitung für die Löwenjagd
    Die Ära des Kolonialismus ist die große Zeit der Forschungsreisenden. Auch Henry Dunant liebäugelt mit dieser Rolle, könnte er so doch seiner Leidenschaft fürs Reisen und fürs Schreiben frönen. Der Bericht über die Herrschaft von Tunis (das spätere Tunesien), den er nach seiner Ankunft in Angriff nimmt, soll sein Gesellenstück werden. Das Land ist von der kolonialen Modernisierung noch nicht betroffen und kommt so den romantischen Vorstellungen des Orientalismus, wie er zu dieser Zeit Mode wird, entgegen. Ein Jahr später wird etwa Gustave Flaubert in Tunis für seinen Roman Salambo recherchieren.
    Da Dunant sich in Nordafrika eine Existenz aufbauen will, verwundert es nicht, dass er Tunesien vorteilhaft schildert: mit einem äußerst bekömmlichen Klima, einem weisen Herrscher und den besten Datteln der Welt. Neugierig beschreibt er das Leben bei Hofe und gibt allerlei Empfehlungen für seine zukünftigen Leser – vom Couscous-Rezept bis zur Löwenjagd. Tunis erscheint ihm wie ein zweites Genf, modern, geschäftig, mannigfaltig, belebt auch durch zwölftausend Europäer, die sogar eine italienische Oper unterhalten. Der Sklaverei widmet er ein eigenes Kapitel, in dem er die aufgeklärte Haltung des Beys von Tunis mit der schonungslosen Ausbeutung der Farbigen in den Vereinigten Staaten konfrontiert. »Schande über Amerika!«
    So wie viele Europäer erlebt Dunant in der Fremde eine ungekannte Freiheit; störende Konventionen fallen weg. Die Tragik seines späteren Ruins besteht nicht zuletzt darin, dass damit auch der Traum von einem Leben in zwei Welten zerstört wird. Der würdige Fes, den er auf allen Altersporträts trägt, ist ein lang nachhallendes Echo seiner Liebe zum Orient. 1857 lässt er den Bericht in kleiner Auflage drucken. Das Buch ist mit dem Vermerk »unverkäuflich« versehen. Als vermögender Privatier will sein Autor sich nicht in die Niederungen des Handels begeben; es soll keine Ware, sondern eine Gabe sein. Im Journal de Genève erscheinen gleich zwei Besprechungen: »Ein ausnehmend schöner Band« … »Herr Dunant hat das Zeug zum Schriftsteller.« Durch dieses Werk kann er sich als werdender Kenner des Orients profilieren. Und es eröffnet ihm die

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