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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Fetzen Fleisch herausriss. Die Sperbermenschen versahen die Pfeile mit einem Dreizack, der sich in den Wunden verhakte.
    In diesem Augenblick hallte, auf- und abtönend, ein dumpfes, lang gezogenes Dröhnen.
    Â»Die Muschelhörner!«, murmelte ich. »Sie blasen zum Rückzug.« Wir hatten den Angriff abgewehrt! Ich griff dem verletzten Jungen unter die Arme, half ihm, auf die Beine zu kommen. Die Verletzung hatte mich geschwächt, doch ich fand noch genug Kraft, um den Jungen, der viel Blut verlor, zu stützen.
    Â»Tut es sehr weh?«
    Â»Ich … ich kann nicht gehen.«
    Â»Sei ruhig«, sagte ich zu ihm. »Du bleibst am Leben.«
    Ein kühler Morgen erhob sich über den rauchenden Trümmern. Die vom Feuer gefärbten Wolken schimmerten rot. Die Menschen gingen zu zweit oder zu dritt und stützten ihre Verletzten. Viele waren über und über mit Blut befleckt. Die Toten wurden geborgen, damit die Angehörigen sie bestatten konnten. Der Verletzte klammerte sich an mich, blickte über das Meer. Er war ein junger Fischer und hatte mich nicht erkannt, sodass er ganz unbefangen zu mir redete.
    Â»Sag, werden sie wiederkommen?«
    Die schlichte Frage ließ mich erbeben. Der Feind zog sich zurück, doch nur, um einen neuen Angriff vorzubereiten. Der , der sie anführte, gab nicht auf, er würde niemals aufgeben. Ein trockenes Schluchzen stieg mir in die Kehle. Ich wusste, das war nur die erste Schlacht.
    Â»Ja«, flüsterte ich rau. »Sie werden wiederkommen.«

5
    R und um meine Wunde hatten sich dicke Brandblasen gebildet, aber zum Glück war die Verletzung nicht tief. Miwa schnürte behutsam meine Rüstung auf, zog mir die blutverschmierten Kleider aus und wusch mich von Kopf bis Fuß, bevor sie meine Wunde mit Heilsalbe bestrich und verband. Als meine Kinderfrau nahm sie sich die Freiheit, mir Vorwürfe zu machen.
    Â»Wie töricht von dir, kleine Herrin, dich mitten ins Schlachtgetümmel zu begeben! Hätte der Pfeil dein Herz durchbohrt, dann hätte Yamatai seine zukünftige Herrscherin verloren …«
    Ich wusste, sie sprach die Wahrheit, doch ich schwieg. Ich fühlte mich elend.
    Meine Kehle war ausgetrocknet. Miwa gab mir heißen grünen Tee zu trinken. Sie löste und kämmte zärtlich meine Haare, kleidete mich in ein weites, bequemes Gewand. Sie gebot mir, mich hinzulegen, und deckte mich mit einer weichen Decke zu. Ihre Stimme war ein beruhigender Singsang an meinem Ohr: »Schlaf, kleine Herrin, du musst schlafen. Die alte Miwa ist bei dir, die alte Miwa beschützt dich.«
    Stolz wollte ich entgegnen: »Ich brauche niemanden!«, doch es wäre eine Lüge gewesen. Trotz meiner Erschöpfung kämpfte ich gegen den Schlaf.
    Â»Miwa, was macht die Königin?«
    Sie nickte bedeutungsvoll vor sich hin.
    Â»Die Königin befragt die Geister.«
    Ich atmete erleichtert auf. Alles war gut. Meine Mutter sprach zu den Geistern und diese würden ihr Antwort geben. Beruhigt schloss ich die Augen und sank in einen tiefen, bleiernen Schlaf.
    Im Traum vernahm ich undeutlich Stimmen. Zuerst kamen sie von sehr weit her, dann hörte ich sie deutlicher. Sie waren sanft, heiter, beruhigend: ein feierlicher Gesang, der mich einwiegte. Ich fühlte, wie mein Geist sich von ihm emporheben ließ, in Ruhe und Vergessenheit glitt.
    Doch schlagartig war ich wieder hellwach und bei klarem Bewusstsein, erinnerte mich an den Angriff, die Schlacht, den Brand. Vor meinem inneren Auge trat der schwarzgekleidete Krieger in Erscheinung, dessen lederumwickelte Hände das Schwert mit den sieben Klingen schwangen …
    Schaudernd richtete ich mich auf. Im selben Atemzug erkannte ich die Stimmen, die seit geraumer Zeit an meine Ohren drangen; es waren die Stimmen der hundert Priesterinnen aus dem Heiligtum von Sugati!
    Mit steifen Knien kroch ich an die Schiebewand, stieß sie auf und blinzelte benommen. Über dem Innenhof brannte die Mittagssonne. Im Schatten der braunen Strohdächer der Galerien stand die Leibgarde stumm und regungslos Spalier, während durchsichtige weiße Vorhänge, mit dem königlichen Wappen versehen, vor den Eingängen der Festung wehten.
    Weihrauchduft stieg auf. Der Ton gedämpfter Tempeltrommeln mischte sich in den Gesang, als der langsame Zug der Priesterinnen den Innenhof betrat. Alle hielten die Stirn gesenkt und bewegten sich mit gemessenen Schritten. Ihre Gesichter

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