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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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richtete ich meinen Blick auf die Königin, sah, wie eiskalte Wut ihr Gesicht verkrampfte. Zum zweiten Mal hob sie den Arm. Bläulich funkelte ihr Schwert. Ein Schrei, gleich dem Tosen der Brandung, stieg aus allen Kehlen. Das Heer dehnte sich wie der Leib einer Riesenschlange und die Luft hallte wider von betäubendem Hämmern auf die Schilde. Hinter den Kriegern stürmte das Volk, mit Schwertern, Speeren, Dolchen und Bambusstöcken bewaffnet, laut aufbrüllend ins Gefecht. Einen Augenblick später waren Strand und Hafen von klirrendem Schlachtgetümmel angefüllt.
    Ich kämpfte mich durch die Menschenknäuel hindurch, bahnte mir einen Weg zu der Stelle, wo Oshiba gefallen war. Eine Gruppe Priesterinnen bildete in stummer Abwehr mit ihren Körpern einen schützenden Wall um sie. Vor mir öffnete sich ihr Kreis. Ich fiel neben Oshiba auf die Knie. Sie war noch am Leben. Ein großer Blutfleck breitete sich auf ihrem weißen Gewand aus, dort, wo der Pfeil stak.
    Ich ballte die Fäuste. Mit schmerzlicher Deutlichkeit erinnerte ich mich an meine Kindheit im Heiligtum. Oshibas Heiterkeit, Oshibas Geduld. Ihre Nachsicht. Ihre Weisheit. Die Wut und Verzweiflung, die mich erfüllten, erstickten jede vernünftige Überlegung. Nicht einmal weinen konnte ich und das war vielleicht das Schlimmste …
    Doch die samtbraunen Augen richteten sich auf mich. Mühsam bewegten sich die trockenen Lippen. Ihre Stimme war nur ein Hauch:
    Â»Lass den Zorn nicht dein Herz überwältigen …«
    Â»Er ist zurückgekommen, um Rache zu nehmen!«, stieß ich zwischen den Zähnen hervor. »Er wird uns alle vernichten …«
    Mit großer Anstrengung hob die Sterbende die Hand. Ihre fast durchsichtig zarten Finger berührten meine Schulter. Sie flüsterte:
    Â»Nein. In seinem Herzen ist nicht die Rache allein.«
    Ihre Hand fiel herab. Das Pochen ihrer Adern am Hals wurde langsamer, schwächer. Plötzlich rann ein Blutfaden aus ihrem Mund. Ihr Kopf sank zur Seite. Eine der Frauen beugte sich zu ihr herab, drückte ihr sanft die Lider zu. Als sie sich wieder aufrichtete, glich das Gesicht der Großen Ahnin einer glatten, bleichen und kühlen Elfenbeinmaske.
    Ich stand auf. Drängte die Priesterinnen beiseite. In mir brannte das Fieber. Es war, als ob das weiß glühende Sonnenlicht in meinem Kopf flimmerte. Um mich herum tobte die Schlacht. Nichts erinnerte mehr an eine geordnete Welt: Wasser, Erde und Luft schienen sich im sinnlosen Chaos zu bekämpfen. In der Hafenmündung hatten mit Pech bestrichene Pfeile das Takelwerk der Schiffe in Brand gesetzt. Die aufwallenden Flammen loderten vor dem dunstigen Blau des Himmels. Brennende Segelfetzen wirbelten durch die Luft. Die Wogen trugen Schilde, zerbrochene Waffen und verstümmelte Leichen der offenen See entgegen.
    Und auf einmal sah ich das Schwert mit den sieben Klingen zwischen Wasser und Sand aufblitzen. Der Anführer bahnte sich einen Weg durch das Schlachtgetümmel. Nur die Mutigsten nahmen es im Kampf mit ihm auf. Doch vergeblich: Bald war niemand mehr übrig, der es wagte, sich ihm in den Weg zu stellen. Es war, als ob ein Zauber mit ihm ging, ihn unverwundbar machte. Und wo das Blau der Wogen mit dem Feuer des Himmels verschmolz, schien seine Gestalt zu riesenhafter Größe emporzuwachsen.
    In meinem Kopf war kein Gedanke mehr, kein Gefühl; nur noch pulsierende Hitze. Ich riss einen Pfeil aus dem Köcher, legte ihn auf die Sehne und tauchte, ungeachtet jeder Gefahr, ins dichteste Schlachtgetümmel. Durch irgendein Wunder kam ich heil durch. Plötzlich durchzuckte ein stechender Schmerz meinen Arm: Die Wunde war aufgebrochen. Ich spürte das warme Blut in meinen Verband sickern. Ohne Rücksicht darauf spannte ich die Muskeln. Eine seltsame Ruhe erfüllte mich. Schritt für Schritt bewegte ich mich vorwärts; wachsam wie ein Tier auf der Lauer. Zwischen mir und der finsteren Gestalt, die den Angriff leitete, lag nur noch eine kurze Entfernung.
    Die eisige Flamme erlosch; die Bewegung des Schwertes wurde unterbrochen. Der Anführer hatte mich erblickt, stand unbeweglich. Wie eine Statue aus Leder, Seide, Federschmuck und Eisen sah er auf mich herab. Doch keuchende Atemzüge hoben und senkten seine Brust und durch die Löcher der scharlachroten Maske funkelten die Augen wie glühende Punkte.
    Eine Weile, die mir endlos vorkam, standen wir uns stumm

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