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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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lag gewichtig hinter seinen Worten und rührte Doyle trotz seines Widerstrebens. Es fiel ihm schwer, eine Antwort zu finden. Wie konnte dieser Priester so genau wissen, was er durchmachte? Waren seine Empfindungen so offensichtlich? Der Mann wandte den Blick nicht vom Festland, respektierte die Grenzen der Privatsphäre seines Gesprächspartners.
    »Manchmal läßt man das Beste seiner selbst hinter sich«, sagte Doyle.
    »Reisen können einen Sinn haben, von dem man beim Abschied nicht zu träumen wagte«, sagte der Priester. »Sie können Leben retten. Manchmal sogar eine Seele.«
    Doyle nahm die Worte wohltuend in sich auf; seine innere Stimme verstummte. Der träge Rhythmus des Kanals nahm seinen Blick gefangen, und friedliche Stille senkte sich auf ihn herab.
    Zersplittertes Sonnenlicht tanzte vom Wasser herauf und durchbrach seine Tagträume. Er wußte nicht genau, wie lange er dagestanden hatte, seit diese Worte gesprochen worden waren. Das Bild des Ufers hatte sich verändert. Offenes Land lag jetzt dort, wellige Hügel. Und voraus lockte der Ozean. Er schaute zur Seite.
    Der Priester war fort.
    Auf dem Deck unterhalb der Stelle, wo Doyle einsam stand, kam ein hochgewachsener, gutaussehender, elegant gekleideter Mann, blond und breitschultrig, aus einem Treppenschacht, der in den Laderaum der Elbe hinunterführte. Geschmeidig schob er sich ins Gedränge und sprach beiläufig mit einigen von den Leuten; sein Deutsch war makellos und hatte jenen reinen, wohlartikulierten aristokratischen Tonfall der Bewohner von Hamburg. Mühelos gelang es ihm, als Teil der Gruppe zu erscheinen, ohne irgendwo einen besonders lebhaften Eindruck zu hinterlassen, derweil seine kraftvollen Züge zu einer elastischen Maske der unablässigen Belustigung geformt waren. Der Mann bestellte sich einen Drink, zündete sich eine Zigarette an, lehnte sich an einen Pfeiler und studierte seine Mitpassagiere.
    Er kam zu dem Schluß, daß diese selbstzufriedenen Bürger ganz und gar mit dem zurückweichenden Ufer beschäftigt waren, so daß keiner von ihnen bemerkt hatte, wie er von unten an Deck gekommen war. Das war gut. Im Laderaum hatte ihn auch niemand gesehen. Und bis jetzt hatte noch kein Schiffsoffizier ihm auch nur einen flüchtigen Blick gewidmet.
    Der Festlandstreifen versank hinter dem Horizont, und aufmerksam musterte der Mann die Passagiere, als sie sich schlendernd von der Reling entfernten. Viele begaben sich ins Innere zur Bar und wandten sich jenem hohlköpfigen Vergnügen zu, das sie an Bord eines Transatlantik-Schiffes anscheinend allesamt zu genießen gesonnen waren Da waren sie, die beiden jungen Männer – sichtlich weniger gut gekleidet als diese Ferien-Bourgeoisie –, in einer Ecke bei den Rettungsbooten. Der Gestank von Krämern umgab sie, und sie redeten in dieser ernsthaften, verschwörerischen Weise miteinander, die er, wann immer er in London gewesen war, schon so oft hatte beobachten können: zwei Juden, die bemüht waren, sich anzupassen. Aber er wußte Bescheid.
    Ob sie bemerkt hatten, daß sie beobachtet wurden? Im Augenblick jedenfalls nicht. Aber etwas hatte die Männer in London aufgescheucht, hatte sie mißtrauisch gemacht und sie veranlaßt, so rasch diese Reise zu buchen. Derart kurzfristig seine Leute zu versammeln und den beiden hierher zu folgen, war nicht leicht gewesen. Aber er hatte es geschafft.
    Mitten in ihrem Gespräch schauten die beiden Männer zu ihm herüber; gleich wandte er seinen Blick gelassen einer vorübergehenden Frau zu und lüftete den Hut. Als er wieder hinsah, beachteten sie ihn nicht mehr; sie gingen davon, noch immer in ihr Gespräch vertieft.
    Er sah ihnen nach, als sie sich entfernten. Als nächstes würde er ihre Kabinen finden. Dann würde er die anderen hinzuziehen -
    Er schnippte seine Zigarette über die Reling und schlenderte den beiden Männern nach.
    Sie machten es ihm leicht.
     
     
    AUF SEE, MIT KURS AUF SAN FRANCISCO
    Auf der anderen Seite der Welt, an Bord eines anderen Schiffes – es war die Canton, ein schmutziger Trampdampfer, der nur Zwischendeckpassagiere beförderte, ein rostiger Eimer aus Shanghai –, das auf seiner Reise nach Osten eben in die Meerenge einfuhr, hinter der sich ein anderer großer Seehafen auftat, stand ein Mann still und allein an der Steuerbordreling und stimmte lautlos ein Gebet an, während er zusah, wie das runde Vorgebirge eines fremden Kontinents heranrückte. Eine Horde armer, zerlumpter Immigranten umwimmelte ihn und jubelte,

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