Im Zeichen der Sechs
dieser Mann ihn in Sicherheit bringen würde. In Fredericks Gesellschaft fühlte Dante sich warm und behaglich wie eine Schlange in einem Schlafsack.
Frederick unternahm nicht den Versuch, Dante mit den anderen Männern bekannt zu machen. Für einen Augenblick ließ er ihn allein, um irgendeine Arbeit im hinteren Büro zu beaufsichtigen; man hörte, wie er in scharfem Ton auf Deutsch ein paar Befehle erteilte. Als einer der Männer mit aufgekrempelten Ärmeln an ihm vorbeiging, um eine Kiste auf den Flur hinauszutragen, sah Dante eine seltsame Tätowierung in seiner linken Armbeuge: einen zerbrochenen Kreis, der von drei gezackten Linien durchstoßen wurde.
Dante hüpfte liebenswürdig beiseite, um zwei weitere Männer vorbeizulassen, die einen Servierwagen mit einem Stapel Bücher vor sich her schoben. Diese Bewegung brachte ihn an den Schreibtisch mit dem Streifen Telegrafenpapier, und er konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich hinüberzubeugen, um einen verstohlenen Blick auf die Hieroglyphen zu werfen – er hatte in seiner Armeezeit zwei Jahre lang als Telegrafist gearbeitet. Er konnte gerade entziffern: »bringen Sie unverzüglich das Buch!«, dann knarrte eine Bodendiele, und Frederick kam wieder herein. Dante wandte sich vom Schreibtisch ab, schaute zu Boden und studierte seine Schuhe, bemüht, einen allgemein unschuldigen Eindruck zu machen. Frederick ging an ihm vorbei und nahm hinter dem Schreibtisch Platz.
»Ungezogener Junge«, sagte Frederick und drohte scherzhaft mit dem Zeigefinger.
Dante kicherte und grinste betreten; er konnte sein schlechtes Gewissen nicht verbergen.
»Sie sind ein ungezogener Junge, nicht wahr, Mr. Scruggs?«
»Ja, Sir.«
»Ungezogene Jungen werden manchmal bestraft«, sagte Frederick. Er nahm den Telegrafenstreifen zur Hand, ließ ihn rasch durch seine schlanken Finger gleiten und überflog ihn.
Dante kam sich ratlos und begriffsstutzig vor, aber er hatte nicht das Gefühl, daß es ihn störte; Angst war dabei nicht im Spiel. Als Frederick den Streifen gelesen hatte, hielt er ein Streichholz daran und ließ das brennende Papier zu Boden schweben. Dann schaltete er den Telegrafenapparat ein und tippte eine Nachricht. Dante hörte aufmerksam zu und verstand die Worte »ein herrlicher Tag«, bevor Frederick zu sprechen begann, das Klappern der Taste übertönte und ihn aus seiner Konzentration riß.
»Es hat ihnen Spaß gemacht beim Militär, nicht wahr, Mr. Scruggs?«
»O ja. Mehr als sonst irgend etwas.«
»Der Glanz der Autorität hat Ihnen gefallen«, sagte er mit dem gleichen spöttischem Lächeln. Wie konnte der Mann reden und gleichzeitig morsen?
»M-hm.«
»Das Gefühl von Macht.«
»Yeah.«
»Ein Teil von etwas zu sein, das größer war als Sie selbst. Das Gefühl, daß ein Sinn in Ihrem Leben ist.«
»Yeah, das hat mir gefallen.«
»Ein loyaler Soldat. In jedem bewußten Augenblick einem Zweck geweiht, der zu einem Plan gehörte, weit größer als Ihre Fähigkeit, ihn zu begreifen. Schulter an Schulter mit anderen Männern von gleicher Gesinnung vorwärts marschierend, allesamt treu ergeben dem Dienst an den gleichen hohen Idealen.«
»Hä?« Das wurde ihm jetzt doch ein bißchen zu üppig.
Frederick lachte auf und lächelte wie ein liebender Vater. »Sie wären gern wieder Soldat in einer Armee, habe ich nicht recht, Mr. Scruggs?«
»Ich schätze ja.« Dante war nicht so sicher.
»Aber nicht in einer, die von einer fernen, unaufgeklärten Regierung beherrscht wird, durchsetzt von fetten, inkompetenten Offizieren, korrupten Zwergen, die Angst vor ihrem eigenen Schatten haben. In einer ganz anderen Armee, Mr. Scruggs, wo Sie wirklich das Gefühl hätten, dazuzugehören. Wo man Sie für die einzigartigen Qualitäten, die Sie erst zu dem machen, was Sie sind, nicht bestraft, sondern wo man Sie belohnt. In einer Armee, die Ihnen erlauben – nein, die Sie ermutigen würde, Ihre … persönliche Arbeit fortzuführen. Das würde Ihnen gut gefallen, nicht wahr, Mr. Scruggs?«
Dantes Augen wurden schmal; ein Schauer der Erregung durchrieselte seine Lenden, als er den Tonfall, wenn auch nicht die Worte dieses Mannes, allmählich begriff. »Yeah. Jawohl, Sir, das würde mir sehr gut gefallen.«
»Wir suchen unsere Rekruten in der ganzen Welt«, sagte Frederick. »Nicht viele Männer entsprechen unseren anspruchsvollen Maßstäben. Aber nach Monaten der eingehenden Beobachtung kann ich mit einiger Zuversicht sagen, daß Sie ihnen … genügen.«
»Wie
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