Im Zeichen der Sechs
Sand, aber er wußte, wie man ein Pferd hindurchtrieb; er hatte es hundertmal in anderen Wüsten getan, und jede Stunde machte er halt, um sich und das Pferd mit Wasser zu versorgen. Er war immer gut zu seinen Tieren gewesen. Sie schienen ihm Freundlichkeit mehr zu verdienen als die meisten Menschen, und sie erwiderten sie auch treuer.
Der Straße zu folgen war einfach, und ihre Spuren waren frisch. Oben auf der letzten Anhöhe, bevor die Straße endgültig in die Ebene hinunterführte, hielt er an. Eine Viertelrneile weiter unten lag noch einmal eine Weggabelung, die einzige seit Skull Canyon; hier schlängelte sich eine Straße nach Südwesten.
Da: eine Staubwolke vor ihm auf der Hauptstraße. Frank holte sein Fernglas hervor.
Jetzt bekam er die Schauspieler zu Gesicht: fünf Wagen, die aus einer Gruppe von hohen Felsen hervorrollten. Am letzten Wagen war die Plane zurückgeschlagen, aber er konnte nichts sehen – was war das?
Er schwenkte das Glas von der Theatertruppe zurück und drehte die Schärfe nach. Sah aus wie eine Schranke über der Straße, jenseits der Planwagen, etwa eine Meile weit entfernt. Eine kleine Hütte; Telegrafendrähte gingen von ihr aus und folgten der Straße. Gestalten bewegten sich dort, aber er konnte aus dieser Entfernung durch das Hitzeflimmern keine Details erkennen.
Sein Blick fiel auf eine zweite Staubwolke, die links über der Nebenstraße aufstieg. Er richtete das Glas dorthin.
Große Kolonistenfuhrwerke, eine längere Kolonne, vielleicht zehn Stück, näher als die erste Gruppe, mit Kurs auf die Weggabelung unterhalb von ihm. Die Fahrer trugen weiße Hemden, und neben jedem saß ein zweites Weißhemd mit einem Gewehr.
Was transportierten sie auf den Wagen?
Kisten, längliche Kisten, hohe Stapel auf jedem einzelnen.
Er glaubte zu wissen, was das war.
Aber das ergab keinen Sinn; die Fahrer waren eindeutig Zivilisten. Konnte doch nicht sein, oder? Um sicher zu sein, würde er sich die Sache genauer ansehen müssen.
Nicht, daß es ihn etwas anginge, ermahnte er sich; aber wenn es da etwas gab, das beim Umlegen des Chinamannes zu Komplikationen führen könnte, dann ging es ihn doch etwas an.
Frank schätzte, daß die Wagen in zehn Minuten an der Weggabelung angekommen sein müßten. Er trieb sein Pferd im Galopp zum Fuße der Anhöhe, dann verließ er die Straße und suchte sich zwischen den ersten Ausläufern der Felsformation seinen Weg durch den Sand. Seltsame Formen erhoben sich hier, ein Labyrinth aus verdrehten, rosaroten und weißen Säulen, das aussah wie eine versteinerte Baumgruppe. Er band sein Pferd an einer versteckt gelegenen Stelle an, nahm sein Gewehr und suchte sich einen höher gelegenen Ausguck.
Die Wagenkolonne war noch ein paar Minuten weit entfernt; sie näherte sich von links auf der Hauptstraße. Als er vorwärtsschlich, vernahm er ein rhythmisches Schlagen, gefolgt von Stimmen.
Gesang?
Frank schob sich auf einen großen Felsblock und rutschte bis an den Rand. Hier bot sich ein Blick auf eine kleine, natürliche Lichtung inmitten der Felsformation.
Ein Dutzend dieser Weißhemden, wie er sie auch auf den Wagen gesehen hatte, saß auf der Lichtung im Kreis; sie klatschten in die Hände und sangen ›Rock My Soul in the Bosom of Abraham‹.
Junge Gesichter lächelten zum Takt der Musik. Zwei Schwarze, ein Mexikaner, mindestens ein Indianer. Die Hälfte von ihnen Frauen. Patronengürtel um die Hüften. Revolver. Gewehre lehnten an den Felsen. Repetiergewehre, ernsthaftes Schießwerkzeug.
Was für eine Art Sonntagsschulausflug sollte denn das sein, zum Teufel?
Frank zuckte von der Felsenkante zurück, als er hinter sich das Schlürfen von Schritten im Sand hörte. Er drehte sich langsam um. Noch einer von diesen Weißhemden, ein blonder Bengel, kaum den kurzen Hosen entwachsen, patrouillierte unten in dem schmalen Durchgang zwischen den Felsen, ein Gewehr in der Hand.
Ein Steinchen rollte von dem Felsblock und fiel dem Jungen vor die Füße; er blieb stehen und kniete nieder.
Frank erstarrte: Wenn der Knabe hochguckt, glotzt er mir genau auf die Stiefelsohlen. Und zwei Sekunden später hat er einen Fußabdruck im Gesicht. Der Junge rührte sich nicht.
Frank hielt den Atem an: Was, zum Teufel, macht der da? Wenn ich in seinem Alter wäre, dann würde ich jetzt heimlich eine rauchen oder versuchen, ein Mädchen aus dem Kleid zu locken. Der Junge bekreuzigte sich – er hatte gebetet –, stand auf, lächelte bei sich und ging weiter, weg von
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