Im Zeichen der Sechs
der Stelle, wo Frank sein Pferd angebunden hatte.
Frank atmete langsam aus und zählte dann bis hundert. Das Singen und Händeklatschen auf der Lichtung ging weiter, immer das gleiche Lied, wieder und wieder von vorn. Niemand von diesen Leuten kam, um ihn aufzustöbern. Er rutschte vom Felsen herunter und kehrte lautlos zu seinem Pferd zurück.
Das war ihm zu unheimlich.
Ein starker Instinkt erwachte in ihm: Wenn du nach Mexiko willst, Frankie-Boy, dann ist jetzt die Zeit dafür.
Die Wagen waren auf der Hauptstraße angekommen und befanden sich nun auf seiner Höhe. Frank schlich sich bis an den Rand der Felsengruppe und bis auf fünfzig Schritte an die Straße heran; dann stützte er die Ellbogen in eine Felsspalte und richtete sein Fernglas auf die Karawane. Und auf die länglichen Kisten hinten auf den Wagen. Er betrachtete jede Wagenladung aufmerksam, während sie vorüberzog. Ja, jede dieser Kisten trug die Schablonenaufschrift, die er erwartet hatte. U.S. Army In diesen Kisten waren Winchester-Gewehre. Die Standardwaffe der Armee. Hunderte.
THE NEW CITY
»Lobet den Herrn, Halleluja. Ist es nicht ein herrlicher Tag?«
»Danke dir, Bruder Cornelius; in der Tat, ein herrlicher Tag«, sagte der Reverend, als er zum ersten Mal an diesem Tage – seit dem Mittag waren schon ein paar Stunden vergangen – aus seinem Haus und auf den Bohlengehweg der Main Street trat. Er blinzelte im hellen Sonnenlicht; die heiße Luft drang glühend in seine Lunge, und wieder fragte er sich besorgt, wo er die Energie hernehmen sollte, den heutigen Verpflichtungen nachzukommen.
Wenn sie nur wüßten, was ich von ihnen will, dachte Reverend Day und schaute müde auf die verkehrsreiche Straße hinaus: Wie viele würden dann bleiben? Und wie viele würden sich umdrehen und fortlaufen?
»Sag mir, Bruder Cornelius, war es ein guter Tag?« »Ein herrlicher Tag, Reverend – gepriesen sei der Herr«, sagte Cornelius Moncrief, der über zwei Stunden lang klaglos auf den Reverend gewartet hatte, wie er es fast täglich tat.
»Das höre ich gern. Gehst du ein Stück mit mir, Bruder?« Schweigend gingen sie nebeneinander her. Der wuchtige Mann in dem langen grauen Staubmantel – der neuernannte Direktor für Innere Sicherheit in The New City – zügelte seinen Schritt, um an der Seite des gebeugten, buckligen Predigers zu bleiben, dessen silberne Sporen im Takt seines hinkenden Ganges klingelten. Die Bürger auf der Straße lächelten und verbeugten sich tief vor Reverend Day; demonstrierten ihm ihre Hingabe, wo er vorüberkam, und der Reverend winkte jedem Schäfchen seiner Herde freundlich zu und hatte fast immer ein segnendes Wort auf den Lippen. Fürchterliche Angst haben sie vor mir – nur weiter so. »Die Liebe unserer Menschen ist ein Wunder. Wahrlich ein Geschenk von Gott«, sagte der Reverend, als sie die Main Street verließen und auf den Turm zugingen. »Wie wahr, Reverend.«
»Und habe ich dir schon gesagt, Bruder Cornelius, wie dankbar wir dir für all deine harte Arbeit zum Wohle unserer Kirche sind?«
»Sie sind zu gütig, Reverend«, sagte Cornelius, und die Brust schwoll ihm, wie es immer geschah, wenn der Reverend freundlich zu ihm sprach – als müsse er in Lachen oder in Weinen ausbrechen und wisse nicht genau, was nun der Fall war.
»Bruder, du hast das Vertrauen, das ich in dich gesetzt habe, tausendfach erstattet. Du trägst Kampfgeist in die Herzen unserer christlichen Soldaten, erfüllst sie mit Begeisterung, auf daß sie mit Freude und großem Eifer zu den Waffen greifen und vorwärts marschieren wie ein Mann, zum Schutze unserer Herde und zum Verderben unserer Feinde.«
Die Tränen strömten ungehindert aus Cornelius’ Augen; er blieb stehen wie angewurzelt, zu überwältigt, als daß er den Reverend hätte anschauen oder ihm gar antworten können. So verbeugte er sich nur und nickte mit dem Kopf. Reverend Day sah zu, wie er weinte, und tätschelte dem Mann mitfühlend die massige Schulter. Ganz gleich, wie oft ich ihnen diesen Quatsch auch auftische, sie stürzen sich jedesmal wieder darauf wie ein Rudel verhungernder Hunde.
»Aber, aber, Bruder Cornelius«, sagte Reverend Day und gab ihm einen Knuff unters Kinn. »Deine Tränen sind wie der sanfte Regen des Himmels, die Leben spenden dieser dürren und staubigen Ebene; und Blumen erblühen, wo einst war Wüste.«
Cornelius schaute ihn an, und ein scheues Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
Zeit für eine Kostprobe vom Sakrament, dachte
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