Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
Vom Netzwerk:
Ausgezeichnet.«
    Cornelius blieben die Worte im Halse stecken, und er würgte sie noch einmal hervor. »Reverend, ich war noch nie so stolz auf eine so prächtige Schar von jungen Leuten –«
    »Das ist schön.« Day schnitt ihm mit einer scharfen Handbewegung das Wort ab. Er hatte dieses unablässige Geblubber satt; es war so lächerlich bei einem Mann von solcher Größe.
    Sie waren am Fuße des Turms angelangt, und die Arbeiter stoben beiseite, wo er vorüberging. Day trat in den Schatten des Turms; es war der einzige Schatten weit und breit, und hier fand er Erlösung von der Sonnenglut. Als er den Hut abnahm, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, lief ein elektrisches Zucken an seiner steifen Wirbelsäule herauf. Er erkannte das Signal sofort: Die Aura spannte sich wie ein stählernes Band um seine Stirn.
    Und die hier war besonders schlimm.
    Day fühlte, daß ihm ein Blutrinnsal aus der Nase tröpfelte. Er wandte sich ab und bedeckte das Gesicht mit einem Taschentuch – muß mich beeilen, nicht mehr viel Zeit.
    »Verzeih, Bruder, ich muß mich jetzt meiner Meditation zuwenden.« Reverend Day wedelte mit dem Hut und verscheuchte den Mann. »Ab mit dir. Zurück an die Arbeit.«
    Gehorsam kämpfte Cornelius die Tränen nieder. Er nickte und trottete zur Stadt zurück; trostsuchend schaute er sich noch einmal um. Reverend Day hatte auf seinen Blick gewartet; er winkte ihm einmal zu und hinkte dann um die Kathedrale herum.
    Die Arbeiter hasteten davon, als er herankam. Als er allein war, wühlte er einen Schlüsselbund aus der Tasche und öffnete das Vorhängeschloß vor den beiden großen Stahlklappen, die in den Boden eingelassen waren. Er hob eine der Klappen an, ließ sie zur Seite kippen und richtete sich auf, um wieder zu Atem zu kommen, ehe er hinunterkletterte.
    Das Taschentuch in seiner Hand war rot; das Blut floß in Strömen.
    Er stieg die Treppe hinab in die Tiefe, schob einen Schlüssel in die schwarze Onyxtür an ihrem Ende; das Schloß öffnete sich mit tiefem, zufriedenstellendem Klicken.
    Er drückte leicht dagegen, und der riesige Türflügel, ein Wunderwerk an Planung und Konstruktion, drehte sich in kardanisch gelagerten Angeln und schwang auf wie ein sanfter Windhauch. Reverend Day trat in die kühle Luft der Gruft, schob die Tür hinter sich zu und verschloß sie wieder.
    Rasch durchquerte er das achteckige Foyer; Lampen aus Stahl und Glas beleuchteten seinen Weg durch ein Gewirr von labyrinthischen Gängen, die in unfruchtbares Felsgestein gehauen waren. Mit einer Hand strich er an den zu seidiger Vollkommenheit polierten Wänden entlang, seine Absätze klapperten scharf auf schwarzem Marmorboden, und er folgte einem gewundenen Pfad, den nur er auswendig kannte, hinunter in den Bauch der Kirche, wo das Licht trüber wurde und das Echo seiner Schritte dunkler hallte.
    Bei der zweiten Tür benutzte er den Schlüssel aus schwarzem Stein und betrat seine Privatkapelle. Außer Day selbst hatten nur die Steinmetze und die Kulis vom Sprengtrupp, die diesen Teil des Werkes vollendet hatten, je einen Blick in sein privates Sanktum geworfen, und sie alle lagen jetzt hier begraben unter dem schwarzen Mosaik-Hexagramm im weißen Marmorboden.
    Die Felswände hier waren roher behauen als in den Korridoren; sie verströmten feuchte, erdige Luft, und so wollte er es auch haben: klamm, dampfend, dem Herzen der Erde nah. Reverend Day hinkte um das Hexagramm herum, warf einen Blick hinauf zu dem verschlungenen Gitterwerk der Decke und blieb stehen, um eine der sechs kleinen Silberladen zu inspizieren, die an den Spitzen des Sterns auf Sockeln standen.
    Er öffnete die erste Lade, und seine Finger liebkosten das Pergament des uralten Buches, das darin lag. Eine Folio-Ausgabe des Koran. Ein Blutstropfen fiel von seiner Lippe auf eine der Seiten. Als sein Blut das Papier berührte, wallte die Macht in ihm auf wie der Dampf in einem Dynamo und drohte seine Haut zum Platzen zu bringen. Er riß die Hand von der Seite zurück, bevor er Schaden anrichten konnte. Ja: Der Raum funktionierte vollkommen, ganz wie die Vision es ihm offenbart hatte; er verstärkte seine Kraft, wie ein Brennglas das Sonnenlicht bündelte.
    Er blieb vor der letzten Schatulle stehen, der einzigen, die noch leer war.
    Noch ein Buch, und ich kann das Heilige Werk vollenden. Und Frederick ist schon damit untenvegs; in wenigen Tagen werde ich es besitzen.
    Bunte Lichter blitzten an den Rändern seines Gesichtsfeldes – rote, grüne und

Weitere Kostenlose Bücher