Im Zeichen der Sechs
Korb auf ein Zeichen von Frederick hin wieder ins Gepäcknetz zurück und verließ das Abteil. Frederick reichte Dante mit einer eleganten Geste eine Serviette herüber. Der brauchte einige Sekunden, bevor er begriff. Dann nahm er sie und putzte sich den tropfenden Mund und das Kinn ab.
»Sind Sie neugierig über die Gruppe, zu der Sie jetzt gehören, Mr. Scruggs?« fragte Frederick und lächelte wiederum spöttisch.
»Ich schätze, meine Aufgabe ist es«, sagte Dante und unterbrach sich, um einen weiteren Rülpser hervorzubringen, »zu tun, was man mir sagt, und keine Fragen zu stellen.«
»Gut. Zum Beispiel brauchen Sie nicht zu wissen, wie wir uns nennen, denn es wird niemals nötig sein, daß Sie diese Frage beantworten.«
Dante nickte.
»Man wird Ihnen niemals etwas sagen – es sei denn, wir entscheiden, daß Sie es wissen müssen. Wissen Sie, wohin wir fahren?«
»Irgendwohin nach Westen«, sagte Dante achselzuckend; er hatte die Stellung der Sonne draußen vor dem Fenster gesehen.
»Sehr scharfsichtig. Aber darüber hinaus – interessiert es Sie, wohin wir fahren?«
»Nein, Sir.«
»Wir geben viel auf Disziplin, Mr. Scruggs. Disziplin im Verhalten, Disziplin in der Persönlichkeit. Es ist von entscheidender Bedeutung für unsere Arbeit, daß man uns nicht bemerkt. Stellen Sie sich beispielsweise vor, eine Aufgabe, mit der Sie betraut sind, erfordert, daß Sie in einem feinen Restaurant speisen, und es wäre wichtig für Sie, daß Sie unauffällig mit den Gästen verschmelzen.«
»Okay«
Frederick beugte sich vor und flüsterte: »Glauben Sie, das wäre möglich, Mr. Scruggs, wenn Sie die Tischmanieren eines Schweins an den Tag legen, das sich in seiner eigenen Scheiße wälzt?«
Dante spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. Frederick lächelte immer noch.
»Nein, Sir.«
»Aus diesem Grund lernen wir, unseren Verstand zu schulen, und aus diesem Grund glauben wir, daß jeder, der versagt, streng bestraft werden muß. So lernen wir.«
Der Schweiß rann Dante in den Nacken. Frederick beugte sich vor und tätschelte ihm das Bein. »Machen Sie kein so besorgtes Gesicht, Mr. Scruggs; ich hatte Sie nicht mit unseren Standards vertraut gemacht, und Sie waren so hungrig. Aber nachdem wir dieses Gespräch nun geführt haben, erwarte ich, daß ich nie wieder eine so abscheuliche Vorstellung von Ihnen geboten bekomme. Oder?«
»Nein, Sir.«
Frederick drückte besänftigend Dantes Schenkel und lehnte sich zurück.
»Uns ist bewußt, daß jeder unserer Männer in einzigartiger Weise dazu qualifiziert ist, unsere Arbeit zu tun, und wenn er uns zufriedenstellt, sollte er auch in einzigartiger Weise belohnt werden. Sie haben im Leben Ihre eigenen ganz speziellen Interessen entwickelt, Mr. Scruggs, die anders sind als die unsrigen. Wir finden, wenn Sie unsere Bedürfnisse zu unserer großen Zufriedenheit erfüllen, dann sollten wir Ihnen unsererseits eine Gelegenheit verschaffen, die Ihren zu befriedigen.«
»Okay« Was meinte er damit?
»Täuschen Sie sich nicht; diese Großzügigkeit fußt auf durchaus selbstsüchtigen Motiven: Wir haben die Erfahrung gemacht, daß es einen Mann nur dazu anspornt, in Zukunft um so härter zu arbeiten, wenn wir ihm geben, was er sich wünscht, sofern er uns Freude macht. Es ist eine Investition. Können Sie mir folgen?«
»Ich weiß nicht genau.«
»Ein Beispiel wäre vielleicht angebracht. Nehmen wir an, wir hätten Ihnen einen schwierigen Auftrag gegeben, und Sie hätten ihn tadellos ausgeführt. Was könnten Sie dafür von uns erwarten?«
Dante schüttelte den Kopf.
Frederick, der alles vorauswußte, schnippte mit den Fingern. Einer der Männer öffnete von außen die Tür zum Gang, und eine wohlgerundete, attraktive junge Frau kam herein, rötlichblond und hübsch gekleidet. Sie trug einen kleinen Koffer.
»Ja?« sagte Frederick zu der Frau.
»Verzeihen Sie, Gentlemen, ich wollte nicht stören«, sagte die Frau sichtlich nervös.
»Wie können wir Ihnen helfen, Miß?« fragte Frederick.
»Ich habe diesen Koffer gefunden, wissen Sie, unter meinem Sitz, nebenan im nächsten Wagen«, sagte sie im knirschenden Tonfall des Mittelwestens. »Und der Bursche draußen – Ihr Freund schätze ich; er saß mir gegenüber – der sagte, er glaubt, er gehört einem von Ihnen hier. Und er hat gefragt, ob ich was dagegen hatte, ihn selbst herzubringen.«
»Wie überaus gütig von Ihnen«, sagte Frederick. »Hat unser Freund Ihnen etwas dafür angeboten, daß Sie ihn
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