Im Zeichen des Adlers
Ferkel, zappelte, kratzte und biß um sich.
Hidden Moon verstärkte seinen Griff. Hör- und spürbar brachen dünne Knochen unter seinen Fingern. Das Gefiepe des Tieres wurde lauter, seine Bewegung schwächer.
Rasch führte der Vampir die Beute an seine Lippen, zögerte noch einen Moment, als ihm der Gestank aus dem dreckigen Fell in die Nase stieg. Er versuchte ihn zu ignorieren, schaffte es nicht gänzlich - und schlug dann endlich seine Zähne in den fetten Leib.
Im Vergleich zum Blut eines Menschen war das der Ratte bestenfalls lauwarm, und es schmeckte, wie das Tier selbst roch: fürchterlich.
Jeder Schluck, den Hidden Moon aus der Ratte sog, wollte ihm aus dem Gedärm wieder hochsteigen, ließ ihn würgen, und die letzten beiden spie er schließlich wieder aus.
Blut verklebte seine Lippen, und darin hingen Haare des Rattenpelzes. Angewidert keuchend und um Atem ringend wischte er beides fort, während seine Faust den Kadaver förmlich zerquetschte, als sei die Ratte schuld an seiner Situation. Dann schleuderte Hid-den Moon den Tierleib mit solcher Kraft davon und gegen die Wand, daß er daran klebenblieb.
Ein widerlicher Tod, selbst für eine Ratte, aber der Vampir bedauerte das Tier nicht. Im Gegenteil - eher beneidete er es und seine Artgenossen. Denn mochten sie ihm auch in jeder anderen Hinsicht unterlegen sein, so hatten sie ihm doch eines voraus: Sie konnten diesen Tunnel nach Belieben verlassen.
Beinahe wünschte sich Hidden Moon, selbst eine Ratte zu sein, war er bereit, sein ganzes Wesen als Preis zu zahlen, wenn er dafür nur die Freiheit erhielte - Seine Überlegungen stockten, als hätten sie sich an einem Hindernis verfangen.
War der Gedankengang, dem er eben gefolgt war, tatsächlich so absurd, wie er schien? Oder steckte nicht vielmehr etwas darin, das Hoffnung versprach - eine Chance war?
Ohne daß er bewußt an ihn dachte, stieg vor Hidden Moons geistigem Auge das Bild seines Vaters und Lehrmeisters auf.
Makootemane.
Er, Wyando, war der liebste Sohn des Alten gewesen, von Anbeginn ihres vampirischen Daseins. Er hatte ihn in vielen Dingen unterrichtet, und Hidden Moon hatte sich als ebenso talentierter wie gelehriger Schüler erwiesen.
Menschen hätten all jene Dinge unter dem Begriff Zauber oder Magie zusammengefaßt, Makootemane indes hatte ihnen nie einen Namen gegeben. Sie waren und wirkten, wenn man sich ihrer zu bedienen verstand, und damit hatte er es belassen.
Hidden Moon fühlte sich wie von Fieber erfaßt.
Wenn es ihm nun gelang, sein Wissen um diese Dinge dahingehend zu nutzen, daß er die Gestalt wechselte - nicht jedoch in die eines Adlers, wie er und sein Stamm es in all der Zeit getan hatten, sondern in die einer ... Ratte! Ob es möglich wäre?
Es kam auf den Versuch an!
Und vielleicht, überlegte der Vampir weiter, hilft mir die dunkle Kraft dabei, auf welche Weise auch immer ...
*
Die Transformation in einen Adler ging für gewöhnlich so rasch vonstatten, daß Hidden Moon die einzelnen Schritte nicht voneinander zu trennen vermochte. Es genügte quasi der Gedanke, sich verwandeln zu wollen - und schon geschah es.
Nun aber, da eine gänzlich andere Gestalt sein Ziel war, mußte er die Verwandlung langsam ablaufen lassen, um sie lenken zu können. Er mußte seinen Körper gleichsam selbst »umbauen«, neu formen.
Also löste er zunächst den Impuls auf, gebot dem Lauf der Dinge dann aber mit gedanklichem Befehl Einhalt. Seine Knochen und Muskeln, die sich schon hatten umbilden wollen, erstarrten in ganz und gar unnatürlicher Form - und schmerzten höllisch!
Der Arapaho stürzte zu Boden, krümmte sich. Trotzdem schaffte er es, sich zu konzentrieren. Stück um Stück befahl er seinem Leib, zu tun, was er von ihm erwartete.
Hätte es einen Beobachter der Szene gegeben, er würde sich mit Grausen abgewandt haben. Denn aus Hidden Moon wurde eine furchtbar anzusehende Kreatur, weder Mensch noch Tier, und so blieb es für eine grausam lange Weile - - bis die Gestalt endlich zu schrumpfen begann, elend langsam. Fleisch und Muskeln verformten sich mit widerlich feuchten Geräuschen, Knochen knirschten, als würden sie zermahlen. Und dann endlich wurde aus ihr - - etwas, das einer Ratte zumindest ähnelte . ..
Ein Wesen von der Größe eines jungen Hundes. Die Augen immer noch eher die eines Menschen als die eines Tieres. Die Haut rosig nackt, nur hie und da sproß ein borstiges Fellbüschel daraus hervor. Die Vorderläufe gemahnten mehr an Arme denn an die
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