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Im Zeichen des Adlers

Im Zeichen des Adlers

Titel: Im Zeichen des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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scheinbar ins Nichts. Tatsächlich aber sah er wieder und wieder, was die Frucht ihm gezeigt hatte -Hidden Moon, seinen liebsten Sohn, dessen Dasein aus allen Fugen geraten sein mußte. Ein furchtbares Schicksal hatte ihn ereilt - »- warum nur?« fragte der Alte.
    »Hast auch du - es gespürt?« Chiyodas Stimme klang ruhig, und er mußte sich nicht sonderlich um Beherrschung bemühen. In langen Jahren hatte er gelernt, sich vom Schicksal und Leid anderer nicht anrühren zu lassen; ganz gleich, ob ihm diese anderen nahestanden, oder ob er sie überhaupt nicht kannte.
    »Es?« echote der Arapaho, das Wörtchen gleichfalls nachdrücklich betonend. Er nickte. »Ja, das habe ich. Das Böse ist so stark in meinem Sohn, daß ich es selbst über die Grenzen der Wirklichkeit hinaus zu spüren vermochte.«
    Chiyoda wußte um die Besonderheit von Makootemanes Sippe; daß sie das Böse aus sich abzuleiten imstande war. Hidden Moon schien diese Fähigkeit verloren zu haben, und der Grund konnte nur der Verlust seines Seelentieres sein. Warum er nicht einen anderen Adler entsprechend erzogen hatte, wußten weder Makootemane noch Chiyoda. Letzterer aber wußte eines: Es gab noch andere Wege, dem dunklen Trieb zu entkommen; Mittel, das Böse in seine Schranken zu weisen.
    Als habe er die Gedanken seines Begleiters erahnt, wandte der Arapaho sich an ihn und fragte: »Gibt es nichts, was wir für Wyan-do tun könnten?« Und nach einer kurzen Pause fügte er, eindringlicher noch, hinzu: »Kannst du nichts unternehmen, weiser Chiyoda? Mir selbst bindet der Tod die Hände .«
    Der Chinese hob die mageren Schultern, senkte sie wieder.
    »Es ist nicht meine Art, mich in andere Belange einzumischen«, sagte er. »Ich beobachte die Dinge lediglich - nie aber habe ich sie verändert oder auch nur ihren Lauf beeinflußt.«
    »Aber könntest du es in diesem besonderen Fall?« Makootemane war nicht willens, aufzugeben.
    »Ich könnte es - vielleicht. Möglicherweise könnte ich deinen Sohn auf einen Pfad führen, auf dem das Böse ihm nicht zu folgen vermag. Freilich weiß ich nicht zu sagen, ob ein Vampir dem dunklen Trieb auf gleiche Art widerstehen kann, wie es einem Werwolf möglich ist. Es käme auf den Versuch an.«
    Nichts in Chiyodas Miene verriet, ob er überhaupt bereit war, seinen Worten Taten folgen zu lassen.
    »Dann flehe ich dich an - wage den Versuch! Um unserer Freundschaft willen .«
    Makootemanes Blick wollte den Chiyodas bannen. Und tatsächlich gelang es dem alten Chinesen nicht, den Kopf zu wenden oder auch nur die Augen niederzuschlagen.
    »Ist es denn Freundschaft, was uns verbindet?« erwiderte er.
    Der Arapaho nickte.
    »Die stärkste Freundschaft, die je zwischen zwei Wesen bestand«, meinte er. »Denn der Tod vermag sie nicht zu scheiden.«
    Auch Chiyoda nickte, langsam, bedächtig.
    »Vielleicht habe ich einen Weg beschritten, der es mir nicht länger erlaubt, das Schicksal anderer zu ignorieren. So sei es denn.«
    »Du bist bereit, Wyando zu helfen?«
    »Ich will sehen, was ich tun kann.« Chiyoda sprach's, tat einen Schritt - und verschwand.
    Aus dieser Wirklichkeit.
    *
    Hidden Moons Rückverwandlung in menschliche Gestalt beanspruchte kaum mehr als die Dauer eines Herzschlags. Und schon im nächsten Moment bemerkte er den Fremden, der ihm in einiger Entfernung gegenüberstand.
    Im ersten Reflex wollte er ihn augenblicklich attackieren - als er plötzlich innehielt, als sei er gegen ein unsichtbares Hindernis gelaufen.
    Und in der Tat schien den dürren alten Chinesen dort etwas zu umgeben, das es unmöglich machte, sich ihm unbedacht zu nähern. Es handelte sich spürbar weder um Magie noch etwas ähnlich Geartetes; es waren schlicht und ergreifend die Aura dieses Mannes und der Respekt, den er ausstrahlte, der andere auf Distanz hielt.
    Auch Hidden Moon. Für den Augenblick jedenfalls ...
    »Wer bist du? Und wie kommst du hierher?«
    »Zwei Fragen auf einmal«, erwiderte Chiyoda. »Geduld scheint deine Stärke nicht zu sein -«
    »Hör auf mit diesem Quatsch!« fuhr der Arapaho auf. »Mir ist nicht nach Philosophieren zumute. Antworte endlich!«
    Der Alte lächelte milde. »Nun, so sei es. Mein Name ist Chiyoda. Und mir ist es vergönnt, Wege zu beschreiten, die überall hinführen - und nirgendwohin.«
    Hidden Moon musterte sein Gegenüber aus geschmälten Augen. Das unerwartete Auftauchen des (immer noch) Fremden wollte sein Denken verwirren, doch er behielt die Kontrolle und stellte die für ihn dringlichste

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