Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
eben. Prowalow hatte genug gesehen. Er ging zur Toilette und meldete sich über Handy bei seinen Männern draußen vorm Lokal.
Das war’s auch schon für diesen Abend. Koniew/Suworow machte sich 20 Minuten später mit dem Mädchen am Arm auf den Nachhauseweg. Einer von Prowalows Männern blieb zurück, bis auch der Chinese nach draußen kam und sein Auto aufsuchte. Es war als Diplomatenfahrzeug ausgewiesen. Dann war für alle endlich Schicht, und die Männer fragten sich, wie wichtig wohl das war, was sie an diesem Abend ermittelt hatten.
20
DIPLOMATIE
»Und? Was halten Sie davon?« Rutledge ließ sich seine Aufzeichnungen von Scott Adler zurückgeben.
»Damit bin ich einverstanden«, antwortete der Außenminister. »Wenn Sie das auch noch in angemessener Form den Chinesen vortragen können ...«
»Da sehe ich keine Probleme.« Und nach kurzer Pause: »Der Präsident will, dass ich mit ihnen Klartext rede?«
Adler nickte. »Ja.«
»So deutlich habe ich noch nie jemandem die Leviten gelesen.«
»Hätten Sie’s sich denn manchmal gewünscht?«
»Israel gegenüber. Und Südafrika.«
»Nie gegenüber Chinesen oder Japanern?«
»Sie wissen doch, Scott, ich bin kein Wirtschaftsexperte.« Was er aber jetzt würde vorgeben müssen, denn seine Mission, die ihn nach Peking führte, war von äußerster Wichtigkeit und sollte auf höchster diplomatischer Ebene stattfinden. Für die chinesische Seite verhandelte offiziell deren Außenminister. In Wirklichkeit aber würde er sich durch jemanden vertreten lassen, der sich im Umgang mit den Amerikanern besser auskannte. Mit Erlaubnis von Präsident Ryan ließ Minister Adler an die Presse durchsickern, dass im Verhältnis zu China einschneidende Veränderungen zu erwarten waren. Adler fürchtete, dass Cliff Rutledge womöglich nicht der geeignete Mann für diese Botschaft an die Chinesen war, aber vielleicht fand er ja vor Ort die richtigen Worte.
»Wie klappt die Zusammenarbeit mit diesem Gant vom Finanzministerium?«
»Wenn er ein Diplomat wäre, würden wir mit der ganzen Welt im Clinch liegen. Aber ich schätze, er versteht sich auf seine Zahlen und Computerspiele«, erwiderte Rutledge und verhehlte nicht, dass er den Chicago-Juden und seine ›neureiche Art‹ nicht leiden konnte. Dass Rutledge selbst aus bescheidenen Verhältnissen stammte, war dank Harvard-Studium und Diplomatenpass längst vergessen.
»Bedenken Sie: Wilson mag ihn, und Ryan mag Wilson«, warnte Adler, dem seinerseits Cliffs Dünkelhaftigkeit und latenter Antisemitismus nicht passte. Das Leben war zu kurz, um sich mit solchen Trivialitäten zu beschäftigen, und auch Rutledge wusste, dass seine Karriere in Scott Adlers Hand lag. Als Berater würde er nach seinem Ausscheiden aus dem Außenministerium viel Geld machen können, aber gefeuert zu werden würde seinen Marktwert nicht gerade steigern.
»Okay, Scott, ja, ich könnte, was geld- und handelspolitische Fragen angeht, durchaus Hilfe gebrauchen.« Sein Kopfnicken war fast respektvoll. Gut. Er konnte, wenn nötig, auch buckeln. Auf den Gedanken, ihm zu zeigen, was er an Geheimdienstinformationen in der Tasche hatte, kam Adler gar nicht erst. Der junge Mann hatte irgendetwas an sich, das nicht gerade Vertrauen einflößte.
»Wie steht’s um die Kommunikationsmöglichkeiten?«
»Die Botschaft in Peking ist mit TAPDANCE ausgerüstet. Das gilt auch für deren neues Satellitentelefon.« Allerdings gab es damit Probleme, wie jüngst aus Fort Meade zu hören war. Aber darum kümmerte sich Rutledge nicht weiter. Spionage lag jenseits seiner Vorstellungswelt, das heißt, er machte sich kaum Gedanken darüber, wie geheime Informationen beschafft wurden, zweifelte aber immer an den Beweggründen derer, die sie beschafften. Kurzum, Clifford Rutledge II war der geborene Diplomat. Er hatte nicht viel mehr als die eigene Karriere im Sinn, hatte eine diffuse Vorstellung von Völkerverständigung und glaubte fest daran, dass er kraft seines brillanten Kopfes Kriege verhindern konnte.
Aber es sprach, wie Adler einräumte, auch einiges für Rutledge. Er trat auf internationalem Parkett ziemlich sicher auf und verstand es, die ihm anvertraute Position ruhig, aber bestimmt zu behaupten. Das State Department konnte von solchen Leuten gar nicht genug haben. Über Theodore Roosevelt hatte einmal jemand gesagt: »Der netteste Gentleman, der jemals Gurgeln aufgeschlitzt hat.« So etwas würde Cliff nie tun, nicht einmal, wenn es seiner Karriere förderlich
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