Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
gut geschmiert. Ach, wär das schön!«
George, Sie reden ja schon wie unser Präsident , dachte Gant. Aber ein bisschen Idealismus konnte nicht schaden, oder?
»Ich bin dafür, dass wir den Chinesen mal ordentlich auf die Füße treten. Würde uns Ryan auch in der Hinsicht den Rücken stärken?«
»Voll und ganz. Das hat er versprochen, und ich glaube ihm.«
»Wir werden sehen. Ich hoffe, dieser Rutledge kann rechnen.«
»Er ist Harvard-Absolvent«, sagte Minister Wilson.
»Ich weiß«, erwiderte Gant. Er selbst hatte an der University of Chicago studiert und pflegte seine eigenen akademischen Vorurteile. Für ihn war Harvard nichts weiter als ein Name und eine Stiftung.
Winston kicherte. »Nicht alle, die da studiert haben, sind auf den Kopf gefallen.«
»Lassen wir uns überraschen, Boss.« Er kippte den Koffer auf die Rollen und schlang den Riemen der Computertasche über die Schulter. »Unten wartet ein Auto auf mich.«
»Gute Reise, Mark.«
Sie hieß Yang Lien-Hua. Sie war 34 Jahre alt, seit neun Monaten schwanger und in großer Angst. Es war ihre zweite Schwangerschaft. Beim ersten Mal hatte sie einen Sohn zur Welt gebracht und ihm den Namen Ju-Long gegeben, einen besonders viel versprechenden Namen, denn übersetzt bedeutete er so viel wie Großer Drache. Aber der Kleine hatte schon im Alter von vier Jahren sein Leben verloren, als er, von einem Fahrrad angefahren, vor die Räder eines Autobusses gestoßen worden war. Sein Tod hatte die Eltern in tiefe Verzweiflung gestürzt und selbst die örtlichen Parteifunktionäre angerührt, denen die Untersuchung des Falles oblag. Der Busfahrer war von jeglicher Schuld freigesprochen worden, und der Fahrradfahrer hatte nie ermittelt werden können.
In ihrer Not suchte Frau Yang Trost in der christlichen Religion, was offiziell nicht gebilligt wurde, aber auch nicht ausdrücklich verboten war. Zu einer anderen Zeit hätte sie sich vielleicht von den Lehren Buddhas oder Konfuzius’ trösten lassen, aber auch die waren verpönt, denn offiziell wurde jegliche Religion nach wie vor als ein Volksnarkotikum erachtet. Über einen Kollegen hatte Frau Yang von einem Mann namens Yu Fa An gehört. Sie suchte ihn auf und trat damit ihr erstes Abenteuer in Sachen Verrat an.
Pfarrer Yu war, wie sie fand, ein sehr gebildeter und weit gereister Mann, was ihr großen Respekt abverlangte. Er konnte auch sehr gut zuhören und achtete auf jedes Wort, das sie sagte. Er schenkte ihr Tee ein und hielt ihre Hand, als ihr die Tränen übers Gesicht liefen. Erst als sie ihm ihr ganzes Leid anvertraut hatte, ging er dazu über, ihr seinen Katechismus nahe zu bringen.
Er behauptete, dass Ju-Long bei Gott sei, einem Gott, der sich ganz besonders unschuldiger Kinder annehme. Sie könne ihren Sohn zwar im Moment nicht sehen, er aber schaue vom Himmel auf sie herab. Der Pfarrer äußerte vollstes Verständnis für ihre Trauer, gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass dieser himmlische Vater ein Gott der Gnade und Liebe sei und seinen einzigen Sohn auf die Erde geschickte habe, damit er die Menschheit auf den richtigen Weg führe und um ihrer Entsühnung willen den Tod auf sich nehme. Yu gab der Frau eine Bibel, gedruckt im Gouyu , der offiziellen Sprache der Volksrepublik (auch Mandarin genannt), und zeigte ihr die Stellen, wo sie nachlesen konnte, was er ihr gesagt hatte.
Es war für Frau Yang nicht einfach gewesen, doch ihr großer Kummer hatte sie immer wieder bei Yu Rat suchen lassen. Eines Tages brachte sie auch ihren Ehemann Quon mit. Der war für religiöse Gedanken weniger empfänglich. Er hatte seinen Wehrdienst in der Volksbefreiungsarmee geleistet, am staatspolitischen Unterricht teilgenommen und sich darin so sehr hervorgetan, dass er zur Unteroffiziersschule geschickt wurde, die nur linientreue Parteigänger aufnahm. Wie auch immer, Quon war seinem kleinen Großen Drachen ein guter Vater gewesen. Dessen Tod hatte ihn wie seine Frau in ein tiefes Loch stürzen lassen, aus dem die verordneten Glaubenssätze nicht heraushalfen. Diese Hilfe aber bot Pfarrer Yu, und bald waren die Yangs regelmäßige Besucher seiner in aller Stille abgehaltenen Gottesdienste. Allmählich lernten sie, ihren Verlust zu akzeptieren und mit Zuversicht darauf zu hoffen, ihren Sohn eines Tages bei Gott dem Allmächtigen wieder zusehen, dessen Existenz für sie immer realer wurde.
Doch bis dahin hatte das Leben weiterzugehen. Beide gingen ihrer Arbeit als Fabrikarbeiter in derselben Fabrik nach und
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