Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
folgen, besann sich aber eines Besseren. Er würde auf sich aufmerksam machen, falls dieser Klogang verabredet war. Geduld, Mischka , dachte er und wandte sich wieder der eigentlichen Zielperson zu. Koniew/Suworow leerte sein Glas und stand ebenfalls auf.
»Oleg. Du musst mir gleich zeigen, wo die Toiletten sind«, sagte der FBI-Mann. »In 15 Sekunden.«
Prowalow zählte im Stillen. Dann wies er mit ausgestrecktem Arm die Richtung. Reilly tätschelte ihm die Schulter und machte sich auf den Weg.
So vornehm der Prinz Michael von Kiew auch war, Toilettenpersonal gab es dort keines, wie in anderen europäischen Restaurants dieser Preisklasse. Das Management wollte offenbar Kosten sparen. Reilly trat ein und entdeckte drei Urinale, von denen zwei gerade benutzt wurden. Er öffnete den Hosenstall, leerte die Blase, zog den Reißverschluss wieder zu und wandte sich den Handwaschbecken zu, nicht ohne vorher einen flüchtigen Blick zur Seite geworfen zu haben. Der des Russen war größer.
Zum Abtrocknen der Hände gab es eins dieser Endlostücher zum Herausziehen, die in Amerika längst abgeschafft worden waren. Reilly machte Gebrauch davon. Länger konnte er sich nicht mehr aufhalten. Auf dem Weg zum Ausgang langte in die Hosentasche und ließ den Autoschlüssel auf den Boden fallen, als er gerade die Tür aufzog. »Damn «, grummelte er und bückte sich, um sie aufzuheben. Eine metallene Trennwand schirmte ihn vor den Blicken der anderen ab. Als er sich wieder auf aufrichtete, sah er es …
Es war gut gemacht. Sie hätten sich zwar noch ein bisschen gedulden können, hielten den Amerikaner aber wahrscheinlich für vollkommen harmlos. Und als gewiefte Profis hatten sie ihre Sache blitzschnell über die Bühne gebracht. Es war nur ein kurzes, flüchtiges Streifen, für jemanden, der zufällig hingesehen hätte, kaum wahrnehmbar. Doch Reilly, obwohl er den Vorgang nur aus den Augenwinkeln beobachtet hatte, ließ sich nicht täuschen. Es war ein klassischer als Rempler getarnter Austausch, so geschickt ausgeführt, dass Reilly darüber im Unklaren blieb, wer wem was zugesteckt hatte. Er kehrte zurück an die Bar und verlangte von der Bedienung einen zweiten Drink, den er sich redlich verdient zu haben glaubte.
»Und?«
»Du wirst dich um den Chinamann kümmern müssen. Er und unser Freund haben auf dem Klo gekungelt, sehr diskret und geschickt«, berichtete Reilly und bedachte die Brünette am anderen Tresenende mit einem freundlichen Lächeln. Geschickt fürwahr, und zwar so sehr, dass ihn, würde er im Zeugenstand dazu befragt, jeder Anwaltsreferendar dazu zwingen konnte, zuzugeben, eigentlich so gut wie nichts gesehen zu haben. Aber das besagte in Wirklichkeit einiges. Entweder waren da zwei Fremde zufällig aneinander gestoßen oder es hatten sich zwei Profis konspirativ getroffen und mit Raffinesse einen Tausch lanciert. Prowalow saß günstig und sah, wie die beiden Männer von der Toilette kamen. Sie nahmen keinerlei Notiz vom jeweils anderen und verhielten sich ganz wie zwei Personen, die absolut nichts miteinander zu tun hatten. Koniew/Suworow kehrte auf seinen Platz an der Bar zurück und nippte an seinem Glas. Es fiel auf, dass er nicht mehr so häufig in den Spiegel schaute und sich stattdessen der jungen Frau widmete. Er ließ ihr vom Barkeeper einen Drink einschenken, für den sie sich mit einem zuckersüßen Lächeln bedankte. Sie zeigte deutlich, dass sie nun nicht mehr ohne Begleitung war. Kann die schauspielern !, dachte Reilly.
»Unser Freund trifft Vorsorge für die Nacht«, sagte Reilly.
»Sie ist hübsch«, sinnierte Prowalow. »Knapp über zwanzig? Was meinst du?«
»So ungefähr. Jedenfalls ziemlich jung. Hübsche Dutten.«
»Dutten?«
»Brüste, Oleg, Brüste«, erklärte Reilly. »Dieser Chinamann ist ein Spion. Siehst du irgendein bekanntes Gesicht, jemanden, der ein Auge auf ihn hat?«
»Nein«, antwortete der Leutnant.
»Ich glaube, eure Abwehr macht Urlaub am Schwarzen Meer, was? An mir war sie jedenfalls noch dran.«
»Das heißt, man hält mich bestimmt für einen deiner Agenten«, sagte Prowalow.
Ein Kichern. »Gib mir Bescheid, wenn du überlaufen willst, Oleg Gregoriewitsch.«
»Der Chinese im hellblauen Anzug?«
»Genau der. Knapp über einssechzig, rund 70 Kilo, dicklich, kurzes Haar und um die fünfundfünfzig.«
Neugierig auf das Gesicht, drehte sich Prowalow um. Der Chinese saß ungefähr 20 Meter weit entfernt. Er sah ganz und gar durchschnittlich aus, wie ein Spion
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