Im Zeichen des Drachen: Thriller (German Edition)
auf die Hure zur Linken. Nein, wichtiger war es, mit Hilfe des Spiegels im Blick zu halten, was hinter ihm vor sich ging. Wirklich schlau, dieser Oleg, dachte Reilly, nutzte ihn, den Ausländer, als Tarnung für seine Observation.
»Hat sich in letzter Zeit noch was ergeben?«, fragte der FBI-Mann. Prowalow informierte ihn über die Aussage von Tanja und das, was sich in der Nacht vor dem Mordanschlag zugetragen hatte. »Verdammt, das nenn ich dreist! Aber wer das eigentliche Ziel war, ist immer noch nicht raus?«
»Nein«, antwortete Prowalow und nahm einen Schluck von seinem zweiten Drink, sehr wohl wissend, dass er sich mit dem Trinken zurückhalten musste, wenn er denn keine Fehler machen wollte. Der Gegner war zu glatt und zu gefährlich. Er ließe sich zwar jederzeit zum Verhör laden, was aber mit Sicherheit nichts brächte. Einem Gangster wie ihm musste man sich so behutsam nähern wie einem Kabinettsminister. Prowalow riskierte einen Blick in den Spiegel, um das Profil des mutmaßlichen mehrfachen Mörders zu begutachten. Wie kam es bloß, dass er keine schwarze Aura ausstrahlte? Warum sah einer wie er so stinknormal aus?
»Wissen wir sonst noch was über diese Kanaille?«
Der Russe schüttelte den Kopf. »Nein, Mischka. Wir haben bislang darauf verzichtet, beim SVR nachzufragen.«
»Weil ihr glaubt, dass er dort einen Komplizen haben könnte?«, fragte der Amerikaner. Oleg nickte.
»Tja, da ist Vorsicht geboten.« Die ehemaligen KGB-Offiziere bildeten eine verschworene Bruderschaft. Im alten Hauptquartier saß bestimmt noch der ein oder andere Veteran, der seine Kumpane über polizeiliche Neugier unterrichten würde.
»Verdammt«, entfuhr es dem Amerikaner, als er dachte: Was für ein Miststück, vögelt die Schnalle des Treibers, den er kurze Zeit später in die Luft jagen wird . Dazu würde es wahrscheinlich selbst der Cosa Nostra in New York an Kaltschnäuzigkeit fehlen. Die Mafiosi waren zwar auch nicht gerade zimperlich, aber im Vergleich zu professionellen Geheimagenten und in diesem speziellen Dschungel wie Kätzchen gegenüber Panthern.
Das Mädchen neben der Zielperson lenkte ab, aber nicht sehr.
»Oleg?«
»Ja, Michail?«
»Er hat jemanden aus der Musikergruppe im Visier.« Wer neu zur Tür hereinkam, interessierte ihn offenbar nicht mehr. Er suchte auch nicht den ganzen Raum ab, wie noch soeben. Sein Blick kehrte stattdessen immer wieder auf ein und dieselbe Stelle im Spiegel zurück. Und er schien sich in Sicherheit zu wiegen. Tja , dachte Reilly, wenn du dich da mal nicht vertust . Dieser Suworow verließ sich allzu sehr auf seine Erfahrungen und rechnete einfach nicht damit, von einem Amerikaner observiert zu werden. Er hatte ja mit Amerikanern nichts zu schaffen, weder hier in Moskau noch sonst wo. Außerdem befand er sich auf vertrautem Terrain und hatte auf dem Weg hierher das Nötige getan, um auszuschließen, dass man ihm folgte. Nun ja, dachte Reilly, wirklich Gescheite kannten ihre Grenzen. Und dieser Suworow hielt sich, borniert wie er war, für gescheit. Aber wen hatte er da im Blick? Reilly drehte sich auf seinem Hocker um und schaute in die Runde.
»Was siehst du, Mischka?«
»Jede Menge Leute, in der Mehrzahl Russen, ein paar Ausländer. Alle sauber rausgeputzt. Auch zwei Chinesen, sehen aus wie Diplomaten und dinieren mit zwei Russen. Hohe Tiere, scheinen sich aber ganz gut zu verstehen.« Reilly war schon drei- oder viermal mit seiner Frau zum Essen hier gewesen. Das Angebot war sehr gut, besonders die Fischgerichte. Nirgends gab es besseren Kaviar als hier. Seine Frau hatte ein Faible dafür und würde noch mit Bedauern zur Kenntnis nehmen müssen, dass diese Qualität zu Hause in Amerika unbezahlbar war …
Als Beschatter war Reilly so gut wie unsichtbar. Er fügte sich überall ein, ohne aufzufallen, einzige Ausnahme: Harlem. Für solche Jobs hatte das Büro schwarze Agenten.
Tatsache, Suworow hatte eine bestimmte Stelle im Auge und sich so platziert, dass sein Blick in den Spiegel ganz unverdächtig und beiläufig wirkte. Aber Typen wie er taten nichts beiläufig. Sie waren daraufhin trainiert worden, jeden Schritt, den sie setzten, gründlich zu überdenken, selbst wenn sie pinkeln gingen. Umso verwunderlicher, dass sich Suworow im Schlaf von einer Hure hatte filzen lassen. Muss wohl ziemlich müde gewesen sein, dachte Reilly und drehte sich wieder um. Einer der Chinesen stand auf, entschuldigte sich und steuerte auf die Toilette zu. Reilly wollte spontan
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