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Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Regimentskasse gegriffen und gemeinsam mit William Rockwell sorgfältig eine Liste der Glücklichen erstellt, die reisen durften, denn schließlich fand die Festlichkeit an dem Ort statt, wo auch das Regimentsmaskottchen seine große Rolle spielte. Also standen wie Statuen neben dem Altar auch zwei stramme junge Soldaten mit den Fahnen des 159. Regiments. Und acht weitere Männer freuten sich schon auf das große Buffet und den Tanz und das Londoner Nachtleben in den nächsten Tagen.
    Jim gelobte seiner Alice, sie zu lieben und zu ehren ein Leben lang, und Alice versprach ihrem Jim ewige Treue und Gehorsam. Dann wechselten sie die Ringe, der Pfarrer segnete ihren Bund, die Gäste sangen ›Lobet den Herren‹, und feierlich unter Orgelklängen schritten alle hinaus in die Maisonne. Was dann kam, war allerdings ungewöhnlich genug. Die ganze Gesellschaft setzte sich nämlich in Bewegung, nein, nicht gleich nach Nearys Villa, sondern zum Zoo.
    Dort war Kitchener aus seiner dösigen Winterruhe voll erwacht, und siehe, sein träges Bären-Männerauge war wieder einmal auf Rose gefallen, Rose, die jetzt im vollerblühten Bärinnenalter und gerade neu empfänglich war für Leidenschaft und Liebe.
    Beide schnauften und rangelten, schoben und stießen einander. Unbefangene Gemüter hätten glauben können, hier passiere ein Mord. Und doch bewegten die beiden die ewigen Gefühle, die den Fortbestand der Welt und der ganzen Schöpfung garantieren. Liebe!
    Liebe im Wonnemonat Mai … Jim drückte seine hold errötende Frau an sich. William Rockwell, der bisher sehr blaß und abgespannt gewirkt hatte, bekam Farbe und preßte die Hand seiner Jenny. Seine Kameraden oder die Söhne dieser Kameraden stellten sich stramm in einer Linie auf und brachten für Kitchener und das Brautpaar ein dreifaches »Hurra!« aus.
    Deborah Maryrose Kellenhusen, geborene Hawks, schüttelte nur den Kopf, und auch ihr Gatte war etwas peinlich berührt, während die Nearys sich köstlich amüsierten und die Fotografen vor Begeisterung schier aus dem Häuschen gerieten.
    William hatte für Jim gute Kunde aus Kanada mitgebracht.
    In Montreal plante die führende Galerie eine große Ausstellung mit Jim-Rockwell-Gemälden. Als Jim abreiste, war der Besitzer der Galerie bereits auf den jungen Künstler aufmerksam geworden. Man war miteinander in Verbindung geblieben, und nun war Jim sozusagen über Nacht berühmt geworden. Oder jedenfalls ein bißchen berühmt.
    »Du wirst bei mir also nicht verhungern müssen, Darling«, hatte Jim zärtlich seiner Alice versichert. »Schade, daß wir jetzt nicht dort sind. Überall auf den weiten Wiesen blüht jetzt der Klee, weiß wie flockiger Schnee. Wer das einmal erlebt hat, vergißt es nie wieder, und es ist einmalig auf der Welt. Glaube mir, du wirst das Land lieben lernen.«
    »Ich liebe es jetzt schon, weil du es liebst«, sagte Alice.
    William Rockwell preßte verstohlen die Hand aufs Herz. Es tat weh. Das passierte immer häufiger. Aber die Reise ist auch recht anstrengend gewesen, tröstete er sich, und so ein altgedienter Knochen wie ich hat natürlich seine Lädierungen weg, da gibt es nichts. Außerdem ist das hier ja wohl auch eine erschütternde Situation. Kitchener. Mein kleiner großer Bär. Plötzlich sah er sie alle wieder vor sich, die blassen, schlammverkrusteten Gesichter, die verhärmten Kameraden mit den brennenden Augen. Ja, sie schienen ihn anzublicken mit den Augen dieser gesunden, wohlgenährten Söhne. Seine Erinnerung ging zurück nach Arras, nach Cambrai. Da war das Land, über das die giftgrünen Schwaden des Gases zogen. Dort, dieser Leslie Rumbler, hatte sich die Gasmaske vom Gesicht gerissen, weil ihm die Luft fehlte vor Erregung und er zu ersticken meinte. Und William hatte sie ihm mit Gewalt wieder ans Kinn gepreßt. Später war er doch noch umgekommen. Der da, Winnie Carter, war der Essenholer von Armentieres, der mit einem Splitter im Bein und einer Kugel in der linken Schulter den Verpflegungssack bis nach vorn schleppte und dann erst zusammenbrach. Ja, und da war auch Robert O'Conney, der beste Spähtruppler der ganzen Kompanie, der damals, 1917, die Drahtlücke an den deutschen Linien entdeckte. Sie waren alle wieder da. Webbs lachte, Oberst ›Luckie‹ Perkins machte trockene Witze. Draußen im Grauen waren sie zusammengewachsen, fester verbunden, als Brüder es sein konnten. Clark! Shenessy! Smith! Guitry! Es war, als ob die Lebenden und die Toten sich noch einmal zur Stelle

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