Im Zeichen des großen Bären
meldeten. Einer stand für den anderen ein, und über allem galt das eine Wort: Treue!
William preßte die Hand aufs Herz und stieß einen ächzenden Laut aus.
»William, was ist?« Jenny reckte sich besorgt zu ihm hoch.
Williams Gesicht färbte sich grau. Hastig öffnete er den Kragenknopf.
Die anderen Leute waren fasziniert vom Liebesspiel der Bären und hatten nichts bemerkt. William atmete mehrmals tief durch und schlug sich energisch auf die Brust. Das half meistens. Es wirkte auch diesmal. Gott sei Dank!
Die Jungs aus Toronto stimmten noch an: »For he is a jolly good fellow!«, und alle Gäste sangen mit. Dann verließ die Hochzeitsgesellschaft den Platz vor dem Bärengehege.
Chuck Brady und Pfleger Bear waren heilfroh. So ein Auflauf machte die Tiere nur nervös. Sie waren alle sensibel und spürten es genau, wenn sich etwas Außerordentliches ereignete.
Die Braut hatte bezaubernd ausgesehen. Und Kitchener war nun einmal ein Bär mit Publicity, da konnte man nichts machen.
Immer noch stand da jedoch der alte kanadische Haudegen. Na, so alt war er gar nicht, aber knorrig wirkte er. Mager und knorrig. Und die daneben, die seinen Arm an sich preßte, war bestimmt die Ehefrau und Mutter des Bräutigams. So eine zierliche Person. Genau wie die Braut. Hatte man ja häufig, daß die Söhne sich eine Frau aussuchten, die aussah wie die Mutter.
William war erschüttert. Es kam so viel zusammen. Sein Jim, der ihm immer ein bißchen fremd geblieben war – denn er hatte die wichtigsten Jahre nicht mit ihm Zusammensein können –, dieser Sohn war nun selber verheiratet, würde sicher bald eigene Kinder haben. Lieber Gott, betete William still, laß es ihn besser treffen: Erspare ihm einen Krieg!
Und da war der riesige, braunzottige Bär, der als Baby hinter ihm hergezockelt war, der ihnen allen das Leben rettete, als er das Verpflegungslager erschnüffelte, der sich so tapfer geschlagen hatte. Jawohl, tapfer! Warum sollte nicht auch ein Tier tapfer sein können?
»Na, alter Bursche, du hast dich besser gehalten als ich«, sagte William zu dem Bären hinüber. »Wie alt wird ein Bär? Dreißig Jahre. Nicht älter als fünfunddreißig, in der Gefangenschaft, meinte Webbs damals. Du wirst mich überleben, Freund. Aber wir haben uns wenigstens noch einmal wiedergesehen. Mach's gut! Viel Glück!«
»Wie fühlst du dich, William?« fragte Jenny besorgt.
»Wunderbar, meine Kleine. Jetzt aber los! Sonst sind wir nachher nicht dabei, wenn die Reden beginnen. Dein alter William wird hundert Jahre. Mindestens. Mach dir also um des Himmels willen keine Sorgen!«
Jenny lächelte tapfer. Sie wußte: Ihr Mann wurde ärgerlich, wenn er auf seine Wehwehchen und Zipperlein angesprochen wurde. Kranksein paßte einfach nicht zu seinem Weltbild.
So war William Rockwell auch nachher bei der Hochzeitsfeier seines älteren Sohnes einer der Lustigsten. Er und seine Kameraden lärmten sogar, denn je lauter man lachte und schwadronierte, desto besser konnte man Unsicherheit und Lampenfieber, und was es sonst noch so gab in der Fremde, verstecken. Da wurden Erinnerungen aufgefrischt und Episoden aufgetischt. Die Söhne tuschelten über Abenteuer, von denen die Väter ihnen berichtet hatten, wenn Mutter nicht zuhörte. Da hatte es feurige Französinnen gegeben und kühle Engländerinnen mit verborgenem Temperament, Lous und Los, Georgettes und Rosettes, Vivians und Annes, und die Väter hatten den Mund sehr vollgenommen. Männer, die dabei waren und es besser wußten, schwiegen eisern. Legenden durfte man nicht zerstören. Geschichten, die immer noch ein Leuchten auf lebensharte Gesichter zaubern konnten, hatten einen guten, wahren Kern, auch wenn sie ein bißchen ins Märchenhafte schweiften.
Jenny blickte ein paarmal zu den Männern hinüber, die sich da zusammenscharten. Sie war besorgt, aber sie freute sich auch für ihren Mann. Das waren nun einmal seine Leute, Farmer meist aus dem weiten Weizenland, die ihren Pflug in die Erde preßten und das Korn mit Flügelmähern schnitten, die gewohnt waren, in der Einfachheit des Lebens auch seine Vollendung zu sehen, die in ihrem Land wurzelten wie Bäume, breit, mächtig, stark.
Der Bräutigam tanzte mit seiner Braut den ersten Walzer. Tief sahen sich Jim und Alice in die Augen, und was sie sahen, war nur Glück und Verheißung. Nach ein paar Runden tanzten auch die Gäste. William forderte seine Frau auf. Oho, er war immer noch ein blendender Tänzer, wenn auch nach einigen Minuten
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