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Im Zeichen des großen Bären

Im Zeichen des großen Bären

Titel: Im Zeichen des großen Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sehr robust waren. Kleine Verstimmungen steckten sie fast mühelos weg. Sie erkälteten sich nicht und vertrugen auch ungewohnte Nahrung recht gut. Aber dieser Bär war krank. Jetzt zuckte er mit den Tatzen, öffnete die Schnauze, als wolle er Luft einsaugen, und blickte Bear trübe flehend an, als wolle er sagen: Hilfst du mir nicht?
    Der Zoodoktor erschien. Die Presse machte sich über den Fall her. Die Berichte über den Bären Kitchener glichen denen über sterbende Staatsmänner. Da stand es: ›Kitcheners Zunge ist trocken, rissig und borkig belegt. Er hat heftige Frostanfälle. Magengeschwür vermutet.‹ ›Kitchener wird mit hydropathischen Breiumschlägen behandelt.‹ ›Bär erhält Codein! Pfleger Bear schwört auf ›Condurangowein‹! Diät aus Schleimsuppen, Fleischsalat, Somatóse und Tropon! Heilpraktiker empfiehlt ›nux vómica 3‹!‹ ›Arzt aus Birmingham zugezogen. Professor Spring ist eine Kapazität in Fragen der Zoologie!‹ ›Kanadisches Regiment schickt Spende für Kitcheners Behandlung! Der Bär soll durchleuchtet werden!‹
    Kitchener ließ all die ungewohnten Prozeduren über sich ergehen, ohne aufzumucken. Er war ratlos. Ja, er wußte nicht, was mit ihm geschah. Ab und zu schüttelte er den Kopf und brummte. Es sah fast menschlich aus, doch war es nicht mehr als eine Reaktion der Hilflosigkeit.
    Wie nähert sich der Tod einem Bären? Kitchener war ihm schon oft nahegekommen, als er in vorderster Frontlinie auf dem Posten gewesen war. Aber diesmal war es anders. Es gab nur noch Schmerzen, Hindämmern, Ergebenheit.
    Die Diagnose Professor Springs ließ an Deutlichkeit nichts vermissen: »An der kleinen Magenkrümmung und in der Nähe des Pförtners eine ausgefranste Krebsgeschwulst in fortgeschrittenem Stadium. Durch Verengung des Zugangs zum Darm eine Magenblähung. Die Untersuchung des Mageninhalts ergab das Vorhandensein von Milchsäure und einer kaffeesatzähnlichen, schokoladenfarbenen Masse, verbunden mit einem gravierenden Mangel an freier Salzsäure. Metastasen …«
    Der Zoodirektor und Professor Spring sahen einander fest an. Hier mußten sie eine Entscheidung treffen.
    »Eine tüchtige Dosis Morphium würde ihm das Leben erleichtern. Eine Überdosis wäre in diesem Fall barmherzig«, sagte Spring ernst.
    Der Direktor zuckte die Schultern und wandte sich ab. »Wenn es wirklich brenzlig wird, sind wir gewöhnlichen Sterblichen immer euch Medizinmännern ausgeliefert. Unser einziger Trost ist eigentlich, daß ihr auch sterblich seid«, versuchte er zu scherzen.
    »Ihr gewöhnlichen Sterblichen schiebt die letzten Entscheidungen aber auch nur zu gern den geschmähten Medizinmännern zu«, konterte Spring.
    Der Direktor ging leise aus seinem Büro und fuhr in sein Landhaus vor den Toren Londons. Zu seiner Frau sagte er: »Ich bin völlig erledigt. Dieser Bär war immer das aufwendigste unserer Tiere. Ein Regimentsbär eben.«
    »Wieso war?« fragte sie.
    Der Direktor holte tief Luft. »Reden wir nicht mehr davon.«
    Sie nickte. »Vergiß bitte nicht, daß wir heute abend bei Churchills eingeladen sind, Eddie!«
    Im Zoo trauerte Mr. Bear. Kitchener lebte noch, aber Mr. Bear trauerte bereits. Dies war nicht mehr der Kraftprotz und Pascha der vergangenen Jahre. Man hatte es nicht gezeigt, doch man wuchs eben zusammen mit so einem Tier, innerlich, mit den Jahren. Da tat dessen Schmerz einem selber weh, und nun fühlte man sich plötzlich einsam, weil es einen schon verlassen hatte. Wie eine chinesische Meditationsfigur saß Mr. Bear in seinem Dienstzimmer und wachte.
    Kitchener lag still und teilnahmslos in seiner Lieblingsnische. Die Bärinnen waren in ihren Käfigen. Die beiden Ärzte hatten sich verständigt. Kitchener röchelte. Speichel tropfte aus seinem Maul. Die Augen waren glasig auf einen fernen Punkt gerichtet. Sein braunes Fell sah räudig aus.
    Die beiden Ärzte sahen sich an und nickten einander zu.
    Das Telegramm nach Toronto an das 159. Infanterieregiment von Ontario lautete: »Kitchener ist tot stop.« Es war am 16. Juli 1938.
    In Europa hatte sich bereits das Verhängnis zusammengebraut. Hitler verfolgte strikt seine Politik der ›Eroberung neuen Lebensraumes‹. Im Antikominternpakt habe er sich mit Japan verständigt, mit Italien die ›Achse Berlin-Rom‹ begründet. Das deutsche Heer wurde im Oberkommando der Wehrmacht gleichgeschaltet, Österreich ›heim ins Reich‹ geholt. Es gab schon Hitlers Geheimbefehl an die Wehrmacht zur ›Zerschlagung der

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