Im Zeichen des Highlanders
durch die engen Straßen und Gassen der Stadt zu streifen. Sie sah nicht vornehm genug aus, um Gefahr auf sich zu ziehen oder jemanden einzuschüchtern, aber wohlhabend genug, um in der Lage zu sein, die eine oder andere Münze für eine Dienstleistung ausgeben zu können. Da sie seit Jahren langsam und sorgfältig Geld gespart hatte, §§glaubte sie, genug beisammenzuhaben, um ein paar Zungen zu lösen. Wenn Roderick Geld benutzte, um seine Gräueltaten zu begehen und sich Schweigen zu erkaufen, konnte sie Geld benutzen, um ihn aufzuhalten. Sie hatte niemals die Freiheit besessen, sich in der Stadt unter die Leute zu begeben oder so lange, wie sie es wollte, an irgendeinem Ort mit irgendjemandem zu sprechen. Nun hatte sie endlich die Chance, Zeugenaussagen gegen Roderick zu sammeln, anderen von ihm zu erzählen und ihm den Nachschub von Unschuldigen abzuschneiden.
Kirstie brauchte fünf lange Stunden, um sich restlos einzugestehen, dass sie wohl Zeit und Geld verschwendete. Sie hatte Kopfschmerzen vom Kampf gegen Gleichgültigkeit und Unglauben. Ihr Herz fühlte sich zerrissen an vor Schreck und Schmerz über die ständige Begegnung mit tief verwurzelter Teilnahmslosigkeit. Zuerst hatte sie gedacht, dass die Leute aus Angst schwiegen; bei einigen mochte das auch so sein, aber viel zu viele hatten einfach kein Interesse. Oder bemühten sich, keines zu haben, weil sie ganz andere Sorgen hatten.
Dieser Mann schenkt den Jungen die Aussicht auf ein besseres Leben. Ich will nicht, dass über ihn schlecht geredet wird.
Ich habe selbst elf Kinder. Ich habe keine Zeit und keine Kraft, mich um andere zu kümmern.
Es ist höchste Zeit, dass jemand diese räuberischen Ratten von der Straße holt. Sie sind eine Pest.
Solche Sätze und viel zu viele ähnliche brannten sich in Kirsties Kopf ein. Es waren die Worte von Ignoranten und Herzlosen. Schlimmer war das Schweigen der Ängstlichen. Es zu brechen, brauchte eine viel größere und Angst einflößendere Bedrohung als Sir Roderick, und selbst wenn sie eine solche gewusst hätte, würde wohl keiner ihr zuhören und Glauben schenken. Sie konnte, wenn sie sich anstrengte, ein paar Entschuldigungen für die Herzlosigkeit der Männer finden, aber nicht für die der Mütter. Selbst wenn sie durch ihr Leben zu verhärtet und erschöpft waren, mussten sie doch ganz gewiss Angst um ihre eigenen Kinder haben? Waren sie so blind, dass sie dachten, nur die unerwünschten Kinder seien in Gefahr?
Als sie sich der Rückseite von Paytons Haus näherte, versuchte sie ihre Stimmung mit dem Argument zu heben, dass es noch Hunderte von Leuten gab, mit denen sie sprechen konnte. Es konnte da draußen dennoch jemanden geben, der bereit war auszusagen, jemanden, der erkannte, dass man das Schlechte nur besiegte, indem man es verstand und sich ihm stellte. Sie musste sich nur mehr anstrengen. Zu glauben, dass es einfach sein würde, war schlichtweg naiv und töricht gewesen.
Klein-Alice sah sie offenen Mundes an, als sie die Küche betrat, und Kirstie fluchte innerlich. Sich hereinzuschleichen war nicht so einfach, wie sich hinauszuschleichen, vor allem, wenn man in seine unglücklichen Gedanken versunken war. Klein-Alice war allerdings in Sorge um die Kinder, und als Kirstie die Tür hinter sich schloss, lächelte sie der Frau zu. Vielleicht konnte sie ja innerhalb dieses Hauses eine Verbündete gewinnen.
»Was habt Ihr gemacht?« Klein-Alice’ Stimme war voller Argwohn.
»Ich versuchte in dieser verkommenen Stadt jemanden zu finden, der bereit ist, gegen meinen Ehemann auszusagen.«
»Und Ihr musstet Euch wie ein Junge kleiden?«
»Die Leute sprechen leichter zu einem Jungen als zu einer Dame. Außerdem hält man mich ja für tot.«
Klein-Alice setzte sich an den Tisch, umfasste ihr rundes Kinn mit der Hand und sah Kirstie stirnrunzelnd an. »Das ist gefährlich.«
»Oh ja. Es war auch gefährlich, mit Sir Roderick zusammenzuleben. Jemand in dieser verfluchten Stadt muss etwas wissen. Ein Mann kann nicht andauernd Kinder missbrauchen, ohne dass man etwas sieht oder hört.«
»Aber niemand hat vor, etwas zu sagen, oder?«
»Nein.« Kirstie seufzte und setzte sich auf eine der Bänke, die am Tisch standen. »Ich war so dumm zu glauben, dass es leicht sein würde. Aber der Unglaube und der völlige Mangel an Interesse, auf die ich an jeder Ecke traf, waren schockierend. Roderick kennt die Lage, er weiß, dass die Leute es nicht glauben oder sich nicht darum kümmern. Nicht wenn es die
Weitere Kostenlose Bücher