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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Mühe und Geduld das Vertrauen des Pferdes gewonnen und Kuro-Uma hatte ihm rückhaltlos sein wildes Herz geschenkt. Mehr als alles andere hatte ihm diese Leistung den Respekt der Krieger eingetragen. Sie konnten sich den plötzlichen Gehorsam des Pferdes nicht erklären. Es hieß, der König von Izumo stünde im Bunde mit den Mächten des Jenseits.
    Iri reagierte auf Susanoos Bemerkung mit seinem üblichen Wolfsgrinsen. »Sie werden diese Falle so klug und geschickt angelegt haben, dass sie ihr eigenes Grab wird …«
    Er riss sein Pferd herum und rief einen Befehl, den die Offiziere weitergaben. Iri hatte das Heer in Sichelform aufgestellt, damit sie den Feind einkreisen konnten. Die Reiter schlossen sich enger zusammen. Dann stürmten sie vorwärts, jagten zwischen den Bäumen hindurch, der Schlucht entgegen. Iri ritt mit seinen Offizieren in der Mitte, Susanoo führte den rechten Flügel des Heeres an, Yi-Am den linken. Ich ritt neben Kuchiko an der Spitze meiner Leibwache.
    Der Tag war klar, die Sonnenstrahlen schimmerten durch das goldene Laub. Ich sah die Schatten der Reiter wie riesige schwarze Vögel über den Waldboden gleiten. Unter meinem Harnisch lief mir der Schweiß den Rücken herunter. Die Tungusen jagten an mir vorbei, Welle auf Welle. Nur mit einem Fuß im Steigbügel schmiegten sie den Körper eng an die Flanken der Pferde und spornten sie mit dem wilden, gellenden Schrei an, mit dem die Steppenreiter schon seit Jahrhunderten ihre Streitrösser antrieben. Dort wo die Schlucht in einen Talkessel mündete, stürzte ein Wasserfall aus dem Gestein.
    Die Männer stürmten an den schillernden Kaskaden vorbei, als mit einem Mal ein Donnergrollen wie bei einem aufziehenden Gewitter zu hören war. Es rauschte in der Luft und plötzlich schien sich der ganze Berg in Bewegung zu setzen. Eine Steinlawine wälzte sich den Hang hinab, und als ich aufschaute, sah ich mehrere Gestalten vor dem blauen Himmel. Der ganze Berg bebte. Das Grollen wurde ohrenbetäubend: Riesige Steinbrocken wälzten sich von Absatz zu Absatz, tauchten im Dickicht unter und näherten sich mit rasender Geschwindigkeit der Schlucht. Wurzeln wurden aus der Erde gerissen. Bäume knickten wie Strohhalme und stürzten in die Tiefe.
    In panischer Verwirrung flutete das Heer zurück. Die Reiter rissen ihre Pferde im vollen Galopp herum, drängten und schoben sich, um der Steinlawine zu entrinnen. Ich sah Iri mit verzerrtem Gesicht Befehle brüllen, aber kein Wort drang an meine Ohren. Und dann hatte die Gesteinsmasse den Talgrund erreicht. Die Reiter, die in der Schlucht gefangen waren, konnten nicht mehr entkommen. Felsbrocken und Geröll begruben schreiende Männer und wiehernde Pferde.
    Ich hielt mit aller Kraft mein Reittier zurück. Mir drehte sich der Magen um. Shiro-Uma stampfte und schlug aus. Ich wurde fast aus dem Sattel geworfen. Nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang es mir, das ängstliche Tier zu bändigen. Steine prasselten immer noch den Hang hinab, Zweige und Blätter regneten auf uns nieder.
    Dann Stille. Eine Stille, die nur vom Wiehern der Pferde, vom Schreien und Stöhnen der Verwundeten durchbrochen wurde. Ich sah, wie sich ein Pferd mit gebrochenem Rückgrat im Geröll wälzte: Sein Reiter war durch einen Steinblock erschlagen worden.
    Dann, mit einem Mal, ertönte ein gespenstisches, lang gezogenenes Geheul, wild wie der Nordwind, wenn er über die Wälder jagt, klagend wie das Jammern von Wölfen bei Vollmond. Und als das Heulen erstarb, brachen die Ainu, die am Berghang die Steinlawine ausgelöst hatten, hinter jedem Felsen, hinter jedem Baum, hinter jedem Busch hervor. An die tausend mussten es sein, mit Pfeil und Bogen, Wurfspießen, Kurzschwertern und sichelförmigen Dolchen bewaffnet. Ich wusste, dass jeder Pfeil, jeder Speer mit einem Siegel versehen war, das zu erkennen gab, welchem »Kotan« der Krieger angehörte. Ich sah ihre Augen, ihre Gesichter, und mir kamen Susanoos Worte über ihre Bereitschaft zu sterben in den Sinn.
    Mein Blick fiel auf Iri. Seine funkelnden Augen, das höhnische Grinsen auf seinem Gesicht sagten mir, dass er den Angriff erwartet, ja bewusst provoziert hatte. Seine Beine umklammerten sein Reittier und der Fuchs mit seinem vergoldeten Harnisch, seiner flatternden Mähne und den schaumbedeckten Nüstern richtete sich schnaubend auf. Schon hatte Iri die

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