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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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abgespielt, doch schon fanden sie die ganze Strecke mit Toten und Verwundeten besät - Reiter und Pferde.
    Susanoo stieß zischend den Atem aus. Seine Augen begannen so heiß zu leuchten, dass es mir den Atem verschlug. Er gab einen Befehl. Mit erhobenem Schild bildete die Leibgarde um mich und den Toten einen stählernen Wall. Zwischen uns und Yi-Ams Kriegern lag ein offenes Gelände von etwa zweihundert Schritten. Susanoo umfasste mit beiden Händen den Griff des Sternenschwertes und bahnte sich einen Weg durch das hüfthohe Gras. Die Ainu glitten geduckt auf ihn zu und versuchten, ihn zu umkreisen. Sie kämpften mit ihren Kurzschwertern, Dolchen, Streitäxten. Susanoo hieb auf sie ein, machte Ausfälle, schwächte mit seiner Taktik ihre Kräfte. Das Schwert mit den sieben Klingen schien wie eine Feuergarbe über den Gräsern zu schweben. Ich hörte den dumpfen Ton, wenn die Waffe traf.
    Die Ainu kämpften um jeden Fußbreit. Jedes Mal wenn ein Mann blutüberströmt zusammenbrach, nahm ein anderer seinen Platz ein. Der Wind trug mir das Stöhnen der Verwundeten zu, das Klirren der Schläge.
    Susanoo setzte unerbittlich seinen Weg fort. Das Sternenschwert schwang hin und her, blinkte hell auf in der Sonne. Pfeile kamen von allen Seiten, doch sie schienen ihm nichts anhaben zu können. Einer bohrte sich in seinen Harnisch; er riss ihn heraus, schleuderte ihn wütend von sich. Sein Haar wogte um seine Hüften; der Wind, der durch das Tal wehte, blähte die Falten seines Mantels wie Riesenschwingen.
    Dann spürte ich unvermittelt, wie der feindliche Ansturm nachließ. Das Kampfgeschrei erstarb. In kürzester Zeit hatte Susanoo mit dem Sternenschwert das erreicht, was einem ganzen Reiterheer nicht gelungen war: Die Ainu gaben den Kampf auf und stürmten in wildem Durcheinander ins Dickicht. Sie stützten ihre Verwundeten und schleppten die Toten mit sich. Sie ließen ihre Verstorbenen nie auf dem Schlachtfeld liegen. Diese Gewohnheit musste mit ihren Bestattungsriten zusammenhängen. Genaueres darüber wusste man nicht, außer dass es sich um etwas besonders Abstoßendes handelte.
    Schrilles, angsterfülltes Wiehern zerriss die lastende Stille. Ich sah Shiro-Uma am ganzen Körper zittern. Die Stute war nur leicht verwundet worden. Mithilfe eines Stallburschen hatte ich sie eingefangen und ihr den Pfeil aus dem Harnisch gezogen. Ich legte meine linke Hand über ihre Augen und strich mit der rechten über ihre Nüstern, doch das Tier beruhigte sich nicht, sondern bebte noch stärker.
    Die Unruhe übertrug sich in Windeseile auf alle anderen Pferde. Sie warfen den Kopf hin und her, blähten die Nüstern und sogen keuchend die Luft ein. Kuro-Uma, Susanoos schwarzer Hengst, schlug wie besessen aus. Sein Fell dampfte und gelber Speichel tropfte aus seinen Lefzen.
    Keinem Tungusen war die Warnung entgangen: Die Tiere witterten Gefahr. Die Krieger spähten in alle Richtungen; ihre schmalen Augen suchten die Felswände ab, durchforschten aufmerksam das Dickicht. Und mit einem Mal wusste ich, woher die Bedrohung kam. Aus dem dichten Tannenwald jenseits der Grasebene löste sich langsam eine Gestalt.
    Das Blut stockte mir in den Adern: Ich erkannte die riesenhafte schwarze Erscheinung wieder, die nicht lange zuvor auf dem Felsen das Zeichen zum Angriff gegeben hatte. Jetzt konnte ich auch den scharfen, beißenden Geruch wahrnehmen, der die Pferde so beunruhigt hatte. Das war kein Mensch, der so roch: Es war ein Bär! Hoch aufgerichtet und schwerfällig kam er näher. Am Hals hatte er einen sichelförmigen Kranz von weißem Fell. Und er hielt ein Schwert in der Tatze …
    Entsetzen spiegelte sich auf den Gesichtern der Tungusen. Sie rissen an den Zügeln, gruben ihre Knie in die Flanken der scheuenden Tiere. Ihre Kühnheit und Angriffslust hatte sich beim Anblick dieses Ungeheuers in panische Angst verwandelt, deren Ursprung in grauen Vorzeiten zu suchen war. Auch ich spürte, wie mir der Schweiß aus allen Poren brach. Mit zitternden Händen umklammerte ich den Bogen, und ich wünschte mir verzweifelt, Kuchiko wäre noch am Leben …
    Susanoo war stehen geblieben. Einige Atemzüge lang beobachtete er den Bären mit eigentümlicher Schärfe. Plötzlich zuckte ein Lächeln über sein Gesicht. Es war nur ein kurzes Aufglänzen der weißen Zähne hinter den Lippen. Dann setzte er sich in

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