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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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erreichte das Lager und ließ uns aufhorchen. Ich sah, wie sich die Krieger am Flussufer sammelten.
    Ein Offizier eilte herbei, kniete vor dem König nieder und sprach: »Majestät, das Schiff des Herrschers von Izumo wurde soeben gesichtet.«
    Die Ratsteilnehmer murmelten und tauschten Blicke. Ich spürte, wie mein Atem sich beschleunigte.
    Â»Wie groß ist sein Geschwader?«, fragte der König. Der Offizier errötete. »Verzeiht, Majestät, die Wachen meldeten nur einen einzigen Küstensegler.«
    Iri stieß hörbar die Luft aus und lehnte sich zurück. Er war überzeugt gewesen, dass Susanoo mit einem ganzen Heer als Verstärkung eintreffen würde, und war wie vor den Kopf geschlagen. Peinliches Schweigen herrschte. Mir brach der Schweiß aus und ich bewegte meinen Fächer schneller.
    Immer mehr Männer drängten sich jetzt ans Ufer. Die Seeleute lehnten an der Reling. Um die Zelte war eine Palisade aus Bambus und Pfählen errichtet worden; alle, die keinen Platz am Ufer fanden, kletterten dort hinauf, um das Schauspiel nicht zu versäumen.
    Â»Warum stehen sie da und gaffen?«, zischte Iri. »Fürwahr, ein mächtiger König, der mit einem einzigen Schiff in den Kampf zieht!«
    Niemand rührte sich. Der Wind trug uns das Flüstern der Männer herüber; dann wurde es still. Über die Köpfe der Krieger hinweg sah ich das Schiff herangleiten. Das rote Sonnenemblem schien über den Schilfhalmen zu schweben. Eine Schweißperle rann mir die Schläfe herunter und ich verbarg das Gesicht hinter dem Fächer.
    Das Schiff legte an. Zwei Männer im Lendenschurz, mit dem weißen Stirnband der Küstenbewohner, zogen das Segel ein. Susanoo, der das Steuer gehalten hatte, half ihnen, das Tau zu befestigen, und erteilte einige Befehle; erst dann stieg er an Land und bahnte sich einen Weg durch die Schaulustigen, die Schulter an Schulter standen. Er trug Beinkleider und eine Tunika mit weiten Ärmeln, beide aus schlichtem indigoblauen Leinen. Doch die seidenverschnürte Bronzerüstung war mit Amethysten besetzt und hatte goldene Ketten. Sein weiter schwarzer Mantel, den er über die rechte Schulter geworfen hatte, schleifte über den Boden. Eine goldene Spange, in Form einer Schlange, hielt ihn zusammen. Lederne Beinschützer vervollständigten seine Ausrüstung. Über der linken Schulter trug er einen Köcher mit Pfeilen und in der Hand hielt er einen Bogen. Seiner Gewohnheit entsprechend, trug er keinen Helm. Ein schlichtes Lederband hielt sein hüftlanges Haar auf dem Rücken zusammen.
    Ich spürte, wie Iri die Muskeln straffte. Sein kalter Blick schien sich ins Leere zu verlieren, während der Schatten des angeketteten Adlers über seinen bronzenen Schultern hin und her glitt.
    Susanoo schritt gelassen die Reihen der Leibwache entlang und trat vor das königliche Zelt. Er begrüßte Iri mit kühler, vollendeter Höflichkeit. Vor mir jedoch beugte er das Knie, denn als Sonnenpriesterin stand ich höher als jede weltliche Macht. Ich erwiderte mit gesenkten Augen seinen Gruß. Mein Herz schlug so heftig, dass ich glaubte, alle müssten es hören.
    Iris Begrüßungsworte kamen förmlich und ausdruckslos über seine Lippen. »Habt Dank, Majestät, dass Ihr meinem Wunsch entgegengekommen seid. Es ist uns eine große Ehre, den Herrscher von Izumo unter uns zu wissen.«
    Â»Ich kam auf Geheiß des Orakels«, entgegnete Susanoo mit seiner dunklen, ruhigen Stimme. »Kein Sterblicher ist berechtigt, sich dem Ruf der Göttin zu entziehen.«
    Diese Antwort ließ keinen Zweifel aufkommen: Er hatte nicht den königlichen Befehl, sondern einzig den Willen der Gottheit befolgt.
    Iri verstand ihn nur zu gut. Die Haut schien sich über seine Wangenknochen zu spannen. Ich spürte seinen glühenden Zorn, als er auf das Kissen an seiner linken Seite wies. »Geruht dort Platz zu nehmen, Majestät, damit Ihr es bequem habt.«
    Susanoo ließ sich auf dem Kissen nieder und legte den Bogen auf seine Knie. Iri stellte ihm die Offiziere vor. Die Gesichter der Tungusen waren undurchdringlich, doch Wachsamkeit und Misstrauen glitzerten in ihren Augen. Der Mann, der mit hochmütiger Gelassenheit ihre Huldigung entgegennahm, hatte einst seine Heimatstadt belagert, den Tod der Sonnenkönigin Himiko verschuldet und den Tungusenherrscher im Zweikampf gedemütigt. Seine

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