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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Handgelenke trugen noch die Narben der Ketten, mit denen man ihn an die Mauer geschmiedet hatte, und die blauen Merkmale des Bannfluchs zeichneten sich noch immer auf seinem Gesicht ab.
    Iri unterrichtete ihn über den geplanten Vormarsch nach Ikoma. »Kein einziger Krieger unserer Erkundungstruppen ist mit heiler Haut davongekommen; das rechtfertigt einen blutigen Vergeltungsschlag. Sobald wir das Gebiet unter Kontrolle gebracht haben, werden wir eine Festung anlegen und die Pässe überwachen.«
    Susanoo ließ ihn nicht aus den Augen. Ein eigentümliches Lächeln umspielte seine Lippen. »Den Nachrichten zufolge, die ich erhielt«, sagte er, »haben sich die Kotan unter der Führung ihres Königs Azamaro verbündet.«
    Die Männer starrten ihn finster an. Wenn das der Wahrheit entsprach, konnte das schlimme Folgen haben. Die verschiedenen Ainu-Stämme hatten seit jeher miteinander im Streit gelegen. Rivalitäten um Jagdgründe oder fischreiche Küstengebiete waren nicht selten Ursache heftiger Fehden. Wenn sich die Kotan über ihre stammeseigenen Zwiste hinweggesetzt hatten, um eine gemeinsame Front zu bilden, würden unsere Krieger auf erbitterten Widerstand stoßen.
    Yi-Am bewegte gelassen seinen eisernen Kriegsfächer. In seinem Gesicht stand Verachtung. »Die Ainu sind tapfer, darüber besteht kein Zweifel. Aber sie kämpfen wie Wilde, ohne jegliche Disziplin. Der Anblick unseres Reiterheeres wird sie in Panik versetzen.«
    Stille. Ich bewegte nervös die Hände. Sicher erinnerte nicht nur ich mich daran, dass die tungusischen Reiter einst die Sperbermenschen unter Susanoos Führung in die Flucht geschlagen hatten.
    Doch der König von Izumo überhörte scheinbar ungerührt die Anspielung. »Der Meinung bin ich auch. Aber die Ainu werden in den Wäldern angreifen, dort sind sie jedem Reiter überlegen.«
    Oba, einer der Befehlshaber, ein Mann mit breitem, pockennarbigem Gesicht, entgegnete grimmig: »Ich halte es für völlig ausgeschlossen, dass eine Horde Eingeborener mit primitiven Waffen ein gut ausgerüstetes Reiterheer aufzuhalten vermag; sei es in der Ebene oder in den Wäldern.«
    Susanoo betrachtete ihn mit ausdruckslosem Blick. »Die Ainu glauben, dass die Himmelsgötter das Land, das sie besiedeln, ihren Vorfahren einst zum Geschenk gemacht haben. Deswegen sind sie bereit, für die Verteidigung dieses Landes zu sterben.«
    Ein welkes Blatt fiel kreiselnd auf meinen Schoß. Ich dachte an Nagasume Tomi und an die Art, wie er den Tod gefunden hatte …
    Iri brach mit eisiger Stimme das Schweigen. »Die Sitten der Ainu scheinen Euch wohlvertraut. Umso mehr sind wir verwundert über das Fernbleiben Eures Heeres. Verstärkungstruppen wären uns sehr willkommen gewesen.«
    Susanoo blieb kühl. »Das Orakel betraf mich, nicht meine Krieger. Die beiden da« - er wies auf die Seeleute, die am Flussufer kauerten - »haben den Befehl, das Schiff noch heute nach Izumo zurückzubringen.«
    Iri sah ihn an, als würde er ihn am liebsten erschlagen. »Eure Kühnheit ehrt Euch«, sagte er höhnisch.
    Susanoo erwiderte seinen Blick: Es war wie das erste Aufflackern zweier blankgezogener Klingen. Dann - ohne die Augen abzuwenden - öffnete Susanoo die Lippen. Er lächelte. »Die Vorzeichen besagen, dass Ihr den Sieg davontragen werdet, doch manchmal ist ihre Sprache doppeldeutig. Wenn es der Göttin heute gefällt, mich von meinem Eid zu entbinden, so frage ich nicht lange, warum.« Er wandte sich mir zu und verneigte sich ehrfurchtsvoll. »Erlaubt mir, Priesterin, dass ich jetzt mein Eigentum wieder in Besitz nehme.«
    Stumm erwiderte ich seine Verbeugung. Ich gab Etsu und Hana ein Zeichen und sie entfernten sich. Hinter der Leibwache drängten sich die Soldaten immer dichter um das Königszelt. In der lastenden Stille waren nur das Klirren der Waffen, das Scharren unzähliger Füße zu hören. Der Adler auf seiner Stange wippte beunruhigt und sträubte seine Federn.
    Die Priesterinnen kamen zurück. Sie breiteten ein Leinentuch vor mir auf der Matte aus. An den vier Ecken stellten sie Räucherschalen auf und zündeten sie mit einem Holzscheit an. Als die Kohle glühte, streuten sie Weihrauchpulver hinein. Etsu, die Ältere, reichte mir die heilige Rute aus Weißholz, die ich in alle vier Himmelsrichtungen schwang, um die bösen Geister zu

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