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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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lautlosem, fast spielerischem Galopp zum Angriff: eine kompakte Masse wogender brauner Rücken.
    Susanoo hielt das Sternenschwert mit beiden Händen gepackt. Seine Augen funkelten, sein Atem ging fliegend. »Wartet, bis sie sich aufrichten«, schrie er den Männern zu, »und schießt ihnen dann in den Rachen!« Hufe donnerten vorbei: Ein Pferd hatte sich losgerissen, flüchtete schaumbedeckt und mit irren Augen durchs Gehölz. Zwei Bären sonderten sich vom Rudel ab und jagten ihm nach. Niemals hätte ich geglaubt, dass die unförmigen, schwerfälligen Tiere so schnell sein können. Sie schnitten dem Pferd den Weg ab. Das gehetzte Tier wirbelte herum, drehte sich zähnefletschend im Kreis. Einer der Bären wurde von den Hufen getroffen und überschlug sich. Der andere packte mit beiden Vordertatzen den Hals des Pferdes und bohrte seine Krallen in das Fleisch.
    Der Abstand zwischen der angreifenden Herde und uns verringerte sich zusehends. Jetzt hörten wir ihr Brummen: Es war so drohend und furchteinflößend, dass selbst der Herzschlag des Tapfersten für einen Augenblick aussetzen musste. Fast alle Tiere waren von brauner Farbe, mit einem weißen Fellkranz um den Hals. Ein einzelner pechschwarzer, mächtiger Bär stürmte an der Spitze des Rudels. Und auf seinem wogenden, federnden Rücken ritt mit wehenden Haaren ein Kind.
    Der Schreck nahm mir jedes Gefühl, jeden Gedanken. Gelähmt sah ich, wie sich die Bären einer nach dem anderen aufrichteten. Sie kamen auf uns zu wie Menschen, die tastend ihren Weg suchen. Ihre Tatzen bewegten sich auf und nieder. Ich sah ihre langen, scharfen Krallen, ihre rötlich funkelnden Augen, die glänzenden Reißzähne. Speichel rann aus ihren hechelnden, weit geöffneten Mäulern.
    Die abscheuliche Welle von Gestank breitete sich immer stärker aus. Fauchend und brummend tapsten die Bären immer näher heran. Einem Krieger versagten die Nerven: Er stieß einen heiseren Schrei aus und floh. Die anderen kauerten bebend hinter ihren Schilden.
    Â»Warten!«, keuchte Susanoo.
    Jetzt richtete sich auch der Bär, der das Rudel anführte, mit einem einzigen Muskelwogen zu voller Größe auf. Wie ein schwarzer Koloss kam er schneller, immer schneller auf uns zu. Ich sah das Gesicht des Kindes, das sich an seine Schultern klammerte. Nein, es war kein Kind: Es war eine junge Frau. Und sie hielt einen Speer in der Hand …
    Â»Jetzt!«, brüllte Susanoo.
    Die Pfeilwolke schwirrte los. Ein Brüllen, das einem das Blut zu Eis erstarren ließ, erhob sich aus dem Bärenrudel. Einige Tiere stürzten tödlich getroffen zu Boden. Andere taumelten, drehten sich, versuchten mit wild schlagenden Tatzen die Pfeile aus ihren blutigen Rachen zu schleudern. Ein paar Bären waren in die Schulter oder Brust getroffen; sie krümmten sich, schlugen ihre Zähne in die Stelle des Körpers, wo die Pfeile eingedrungen waren, und rissen sich die Waffe mit dem Fleisch heraus.
    Am Horizont flackerten Blitze auf. Donnerschlag folgte auf Donnerschlag. Wieder brüllte Susanoo einen Befehl. Trocken und scharf klang das Zischen der Pfeile. Die getroffenen Tiere stürzten. Ihre Tatzen schlugen blindlings ins Leere, die blutigen Körper wälzten sich im Todeskampf hin und her, erschlafften und wurden starr.
    Ãœber das Brummen, Fauchen und Knurren hinweg ertönte plötzlich ein lang anhaltender, schriller Ruf, der Stimme eines Vogels ähnlich. Der Ruf brach ab, erhob sich wieder, dehnte sich, dehnte sich endlos. Und ehe ich begriff, dass diese aufreizenden Laute aus der Kehle der jungen Frau kamen, stürmten die übrig gebliebenen Tiere mit unheimlichem Brüllen weiter.
    Und wieder richtete sich der Schwarzbär auf, bewegte sich wie ein Ungeheuer aus vergangenen Zeiten auf uns zu. Dumpfes Grollen erschütterte seine Brust. Er hielt die Tatzen mit den weit geöffneten Krallen wie Hände erhoben und die über den schrecklichen Reißzähnen aufgestülpten Lefzen waren weiß vor Schaum. Die Frau auf seinem Rücken hielt mit dem linken Arm den mächtigen Hals umschlungen. Mit dem rechten hob sie den Speer. Sie bohrte dem Bären die Fersen in die Flanken, wie eine Reiterin es tun würde, um ihr Pferd anzuspornen. Ich sah ihr dichtes, lockiges Haar, ihr hassentstelltes Gesicht. Ihre Haut hatte die Farbe einer Kupferader, die in unterirdischer Dunkelheit golden

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