Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
erglüht. Ihre Lider zogen sich wie blaue Schmetterlingsflügel bis zu den Schläfen.
    Das alles nahm ich wie im Trancezustand wahr, während ich hochschnellte, den Pfeil auf sie richtete, die Sehne in Augenhöhe spannte und losließ. Das Sirren des Bogens schien in meinem Blut widerzuhallen. Der Pfeil streifte das Gesicht der jungen Frau. Ich, die nie danebenschoss, hatte mein Ziel verfehlt! Ich sah die Frau kraftvoll und behände den rechten Arm heben. Der Speer nahm seinen Flug. Im Bruchteil eines Atemzuges, bevor das kalte Eisen in mein Herz dringen konnte, warf sich Susanoo mit erhobenem Schild vor mich. Das Sternenschwert beschrieb einen silbernen Bogen und schleuderte den Speer zur Seite. Und im selben Augenblick trieb die Frau den Bären voran, hetzte ihn auf den Herrscher von Izumo.
    Der gesträubte, brüllende Koloss fiel mit gewaltigem Satz über Susanoo her. Beide - der Mann und das Tier - stürzten zu Boden. Susanoo lag begraben unter der Brust des Bären, wurde aber von seinem Schild gedeckt. Unempfindlich gegen das drückende Gewicht, gegen die Krallen, die sich in seine Schultern bohrten, schlug er mit voller Kraft zu, trennte mit einem einzigen Schwerthieb dem Bären beide Vordertatzen ab. Und während sich das Tier wild brüllend aufbäumte und die blutigen Stummel an die Schnauze drückte, schrie die Frau auf, als ob ihr eigenes Fleisch und Blut getroffen wäre. Der heftige Stoß, mit dem der verwundete Bär sich aufrichtete, schleuderte sie von seinem Rücken. Sie stürzte zu Boden, schlug mit der Stirn gegen eine Steinkante und blieb benommen liegen.
    Mit einer einzigen Bewegung sprang Susanoo auf; das Schwert sauste durch die Luft. Der Kopf des Bären wurde von seinen mächtigen Schultern getrennt und rollte vor Susanoos Füße. Eine Blutfontäne spritzte aus der Halsschlagader. Der riesige schwarze Körper sackte zu Boden, zuckte noch einige Male und blieb dann regungslos liegen. Susanoo rang nach Atem. Der Schweiß floss in klebrigen Rinnen über sein blut- und staubverschmiertes Gesicht. Die Rüstung und der Schild hatten ihn vor den mörderischen Krallen geschützt, doch seine Kleider hingen ihm in Fetzen am Leib und tiefe Kratzwunden bluteten auf Armen und Schultern.
    Ich stand wie erstarrt. Ich konnte nicht denken und nicht sprechen. Dann machte Susanoo einen taumelnden Schritt vorwärts und betrachtete die Frau, die mit blutigem Gesicht halb bewusstlos im Gras lag. Als er sich über sie beugte, zuckten ihre Lider und öffneten sich. Sie warf ihm einen kurzen, hasserfüllten Blick zu. Ihre Zähne blitzten. Dann fiel ihr Kopf kraftlos zur Seite. Ihre Stirn war geschwollen und Blut klebte in ihrem Haar.
    Susanoo hatte sich wieder gefasst. Er winkte zwei Männer der Leibgarde herbei und wies auf die Frau. »Lasst sie nicht aus den Augen!«
    Mit erhobener Waffe wandte er sich seinen Kriegern zu, schrie seine Befehle über das Getümmel hinweg. Seine Stimme verhinderte eine Panik: Die aufgelösten Reihen schlossen sich wieder keilförmig. Die Krieger deckten sich mit ihren Schilden, wenn die Bären sie anfielen, verteidigten sich mit Schwertern und Speeren.
    Einige Bären waren bis zu den Pferden vorgedrungen. Sie schlugen ihre Krallen in Hals und Flanken der Reittiere, rissen ihnen blutige Fleischfetzen heraus. Doch der Verlust ihrer Führerin und das gezielte Abschießen der Pfeile brachte ihren Ansturm allmählich zum Stillstand. Die Bären wiegten sich zähnefletschend und unschlüssig fauchend hin und her, bevor sie zurückwichen und auf das Dickicht zugaloppierten.
    Währenddessen überwachte Iri überlegen und kaltblütig die Schlacht. Obas Einheiten sicherten die Rückendeckung. Im Schutz von Susanoos Phalanx ließ Yi-Am seine Reiter über die ganze Ebene ausschwärmen. Die Tungusen sprengten im vollen Galopp auf die Ainu zu. Sie hingen an den Flanken ihrer Tiere, schwangen ihre scharfen Schwerter durch die Luft oder stachen mit den Lanzen zu. Durch Dunst und Feuerhitze sah ich ein unentwirrbares Knäuel kämpfender Männer, angreifender Bären und rasender Pferde. Das Schreien, Wiehern und Stöhnen mischten sich mit dem Grollen des Donners und dem hellen Knistern des Feuers. Der Qualm drang in meine Lungen. Ich hustete und würgte mir fast die Seele aus dem Leib. Die Rauchdecke über der Ebene schien dem Vorhang ähnlich, der manchmal über

Weitere Kostenlose Bücher