Im Zeichen des himmlischen Baeren
meine Sinne fiel, sodass ich glaubte, das Flimmern sei in meinem eigenen Kopf.
Plötzlich jagte ein weià glühender Blitzstrahl über den Horizont. Der folgende Donnerschlag zerriss mir fast das Trommelfell. Ein warmer Tropfen, dann noch einer, traf meine schweiÃverklebten Wangen. Der Regen roch nach staubiger Erde, nach verbranntem Holz und nach Blut. Mit trockener Kehle atmete ich gierig die Feuchtigkeit ein. Immer dichter fielen die Tropfen. Die Regenmassen prasselten auf die Hügel, rissen Blätter und Zweige von den Bäumen, ergossen sich auf Menschen und Tiere. Ich spürte, wie der erbitterte Kampf allmählich nachlieÃ.
Wie auf ein geheimnisvolles Signal hin zogen sich die Ainu in die Wälder zurück. Sie schleppten ihre Toten und Verwundeten mit sich, was ihre Flucht verzögerte. Die Tungusen verfolgten sie im rasenden Galopp und stachen alle nieder, die sie einholen konnten.
Das Schlachtfeld war von Toten übersät. Verwundete wälzten sich stöhnend in ihrem Blut, das sich mit dem Regen vermischte. Das furchtbare Gebrüll der verletzten Pferde war kaum zu ertragen.
Die Krieger taumelten, von Hustenanfällen geschüttelt, oder lachten heiser und erregt. Sie lieÃen sich keuchend auf den matschigen Boden fallen, schluckten gierig den Regen, der ihnen ins Gesicht fiel. Einige machten sich daran, die Krallen der getöteten Bären mit Messern von den Tatzen zu trennen, denn bei den Steppenreitern wie auch bei uns galten Bärenkrallen als ruhmreiche Siegeszeichen.
Die Ainu-Frau, die im Gras lag, stöhnte leise auf. Die Schwerter der Leibwächter blinkten. Ich trat mit gespanntem Bogen auf sie zu und sah auf sie herab wie auf ein Wesen aus einer fremden Welt. Ihr lockiges Haar klebte schlamm- und blutverkrustet auf ihren Schultern. Eine leichte blaue Tätowierung verlief vom äuÃeren Augenwinkel bis zu den Schläfen und gab ihren Lidern diese merkwürdige Form von Schmetterlingsflügeln. Die schwarzen Wimpern schimmerten wie Holzkohle. Nase und Kinn waren zart gemeiÃelt. Ihre vollen, leicht aufgeworfenen Lippen verzogen sich schmerzlich. Ich sah, dass sie sehr jung war, jünger noch als ich. Ihre Gelenke waren sehr schmal, ihre Hände und FüÃe auffallend klein. Dennoch hatte diese Frau - dieses Mädchen - ein Bärenrudel gegen uns angeführt und das Herz tapferer Männer mit Todesangst erfüllt. Ihre Kleidung bestand aus einer kniekurzen, blauvioletten Hose, aus einem Mieder, das über der nackten Brust mit Lederbändern verschnürt war, und aus bestickten ledernen Beinschützern. Ein weià und rot gemusterter Gürtel, an dem kleine Muscheln baumelten, war um ihre zerbrechliche Taille geschlungen. Um den Hals trug sie einen seltsamen Schmuck: eine breite, polierte Knochensichel, deren Form dem weiÃen Fellkragen der Bären ähnelte.
Der Regen auf ihrem Gesicht schien sie langsam zur Besinnung zu bringen. Ihre Wimpern zitterten. Sie versuchte, den Kopf zu bewegen.
»Kubichi«, flüsterte ich.
Als ob sie den Namen verstanden hätte, öffnete sie die Lider. Ihre groÃen Augen waren mandelförmig und rauchgrau; ich kannte diese Augen, die mich jetzt fiebrig glänzend und voller Hass anstarrten.
»Ist sie schwer verletzt?«
Ich sah auf und blickte Susanoo ins Gesicht. Er stand vor mir, groà und düster. Der Regen hatte das Blut aus seinen Wunden gewaschen und das nasse Haar klebte ihm auf dem Rücken.
»Sie wird gleich wieder zu sich kommen«, antwortete ich.
Hufe hämmerten auf dem aufgeweichten Boden. Der Tungusenkönig und sein Gefolge ritten auf uns zu. Die Standarten hingen nass und schwer an den Stangen. Der Regen auf Iris Gesicht lieà seine Haut wie polierte Bronze schimmern. Er sah von seinem Pferd auf die Gefangene herunter und fragte: »Wer ist sie?«
»Kubichi«, erwiderte ich matt.
Iri runzelte die Stirn. Dann kamen ihm Karasâ Worte in den Sinn. Er lächelte kalt und grausam. »Die Bärenpriesterin! Jetzt verstehe ich, warum der Kampfgeist der Ainu so schnell nachlieÃ!«
Kubichis Augen funkelten ihn an. Ihre Lippen waren weià und zitterten leicht und ihre Nägel krallten sich in den Boden. Doch nichts deutete darauf hin, dass sie seine Worte verstanden hatte.
Iri lächelte noch breiter. »Wir werden diese Frau als Geisel mitnehmen. Mit ihr können wir die Ainu so leicht fangen wie Lachse im seichten Wasser. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher