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Im Zeichen des himmlischen Baeren

Titel: Im Zeichen des himmlischen Baeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Blitz in eine Tanne ein. Das Wiehern der Pferde klang schrill. Einige waren nicht mehr zu halten und rasten davon. Shiro-Uma zitterte am ganzen Leib. Ich hielt mich mit den Knien fest und streichelte das Pferd, um es zu beruhigen. Der getroffene Baum brannte wie eine Fackel. Das trockene Holz knisterte und ächzte. Feuergarben sprühten auf. Die Flammen breiteten sich aus: Flämmchen züngelten durch das Buschwerk, teilten sich, wuchsen. Unter der dunklen Rauchdecke griff das Feuer auf den Wald über und begann, dort zu nagen.
    Wieder leuchtete ein blauweißer Blitz. Der Donner dröhnte wie der Hammerschlag auf einem Riesengong. Die Reiter rissen die erschreckten Pferde abwechselnd nach rechts und links und versuchten, die Reihen neu zu ordnen. Der ganze Waldrand stand jetzt in Flammen. Das Prasseln des Feuers ging in dumpfes Trommeln über: Der Hügel schien zu zittern.
    Plötzlich packte Susanoos Hand fest meine Schulter. Er schaute zu dem Berg, der dem brennenden Wald gegenüberlag. Ich folgte seinem Blick. Ein Erdrutsch schien sich vom Hang zu lösen, wälzte sich wie eine riesige braune Masse der Ebene entgegen. Doch kein Krachen, kein Dröhnen, kein Poltern war zu hören. Vollkommen lautlos rollte die Bergflanke ins Tal. Dann begriff ich, was ich sah, und das Blut stockte mir in den Adern: Es war kein Erdrutsch - es war eine Bärenherde!
    Einen Augenblick lang herrschte Stille. Es war, als ob alles - die Luft, die Erde, die Menschen und die Tiere - den Atem anhielte. Dann hallte ein Donner wie der Schlag einer Riesenpeitsche,und der Tumult brach los. Aus den geordneten Reihen der Tungusen wurde ein wildes, unübersichtliches Chaos. Die Pferde bäumten sich auf vor Angst, schlugen aus, drehten sich wie rasend im Kreis und warfen ihre Reiter in panischem Entsetzen ab. Die Krieger riefen zu ihren Göttern, umklammerten die Waffen. Der Wald brannte. Der Rauch lag wie eine erstickende Dunstglocke über dem Tal und die Hitze schlug uns wie eine Wand entgegen. Ein aufkommender Windhauch zog eine Funkenschlange mit sich. Bäume barsten auseinander, zerfielen zu weißer, glühender Asche.
    Mit zunehmender Geschwindigkeit näherte sich die Bärenherde dem Tal. Susanoos Finger gruben sich in meinen Arm, doch ich spürte den Schmerz erst, als fünf- bis sechshundert jaulende Ainu hinter uns aus dem Unterholz brachen und er mich losgelassen hatte. Wir waren eingekreist!
    Iris Gesicht war grau und mit Angstschweiß bedeckt, doch er versuchte, Herr der Lage zu bleiben. Er befahl Oba, mit zwei Einheiten die Nachhut zu verstärken, während die übrigen Streitkräfte zum Frontalangriff Aufstellung nehmen sollten.
    Alles spielte sich jetzt in rasender Schnelligkeit ab. Susanoo sprang vom Pferd, warf die Zügel einem zitternden Stallburschen zu. »Alle Mann aus den Sätteln!«, schrie er.
    Sein scharfer Verstand hatte bereits erkannt, was Iri nur zögernd wahrhaben wollte: Das Heer befand sich in äußerst gefährlicher Lage. Die Pferde gebärdeten sich wie besessen und machten jeden geordneten Vorstoß unmöglich. Die Krieger gehorchten seinem Befehl und sammelten sich um ihn.
    Â»Bringt die Pferde in Sicherheit!« Susanoos Stimme überschlug sich fast. »Wenn die Bären die Reittiere angreifen, sind wir verloren!«
    Atemlos erteilte er weitere Befehle, stellte seine Krieger in drei geballten Formationen auf. Eine in vorderster Linie, zwei etwa zwanzig Schritte dahinter. Ein Knie auf den Boden gestützt, duckten sich die Männer mit angstverzerrten Gesichtern hinter ihre Schilde und setzten die Pfeile an die Bogensehnen.
    Auch ich war aus dem Sattel gesprungen und hatte Shiro-Uma der Obhut eines Stallburschen anvertraut. Ich kauerte neben Susanoo hinter meinem Schild und ließ den ersten Pfeil aus dem Köcher gleiten. Mein Atem flog; ich wischte mir mit dem Ellbogen den Schweiß vom Gesicht. Das Feuer jagte wie eine rote Flutwelle durch den Wald. Beißender Rauch drang uns in die Lungen; wir husteten und keuchten. Ein Blitz zuckte wie eine blauweiße Narbe durch die Wolken. Der darauf folgende Donnerschlag schien die ganze Welt in Stücke zu reißen. Unter dem Moos begann der Boden immer stärker zu vibrieren.
    Etwa fünfhundert Schritte vor uns knackte und splitterte das Unterholz: Die Bärenfront tauchte aus dem Dickicht! Beißender Geruch schlug uns entgegen. Die Herde kam direkt auf uns zu, stürmte in

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