Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
wollen, können Sie aufstehen und dieses Haus verlassen. Sie sind Zeuge, und wir sind darauf angewiesen, daß Sie Ihre Aussage freiwillig machen. Und das sollten Sie verdammt noch mal tun, und zwar ein bißchen plötzlich!«
Er knallte die Faust auf den Tisch und biß dabei heftig die Zähne zusammen. Seine Hände taten noch von seinem Ausbruch vor einer halben Stunde weh, und der Schmerz jagte an der Unterseite seiner Arme entlang.
Aber es hatte geholfen. Der Wächter riß sich zusammen, setzte sich gerade hin und fuhr sich mit der Hand über die Schulter.
»Ich war unten. Im Wachzimmer. Dann wurde im Besprechungsraum der Alarm ausgelöst. Ein sogenannter stummer Alarm, man hört ihn im Raum selber nicht, sondern nur unten bei uns. Aber so einen Alarm gibt es dauernd, ungefähr alle zwei Tage, und deshalb achten wir normalerweise nicht darauf.«
Er sprach zur Tischkante gewandt.
»Aber wir müssen natürlich nachsehen. Immer. Deshalb bin ich raufgegangen … das heißt, eigentlich sollen wir immer zu zweit nachsehen, aber wir hatten durch die Renovierungsarbeiten einen ziemlich hektischen Tag, und mein Kollege war eingeschlafen. Also bin ich mit dem Fahrstuhl in den vierzehnten Stock gefahren, mein Kollege, der gerade schlief, hatte nämlich die Schlüssel für den Fahrstuhl nach ganz oben. Ich hab oben den Aufsichtsbeamten begrüßt und bin die Treppe zum fünfzehnten hochgegangen.«
»Moment mal! Kann man mit dem Fahrstuhl bis zum fünfzehnten Stock hochfahren? Ohne am Mann im Glaskasten vorbeizukommen?«
»Ja, sogar bis zum sechzehnten. Aber man braucht einen Schlüssel. Sonst geht’s nur bis in den vierzehnten.«
Billy T. hätte gern gewußt, warum diese Möglichkeit am Vortag bei der Lagebesprechung mit dem Polizeipräsidenten nicht erwähnt worden war. Er ging aber nicht weiter darauf ein, denn ein so einfacher Zugang zum Büro der Ministerpräsidentin mußte doch von den zuständigen Stellen registriert worden sein. Rasch kritzelte er »Fahrstuhl« auf einen gelben Zettel und klebte diesen an den Lampenschirm.
»Weiter«, bat er.
»Ja, dann bin ich also ins Besprechungszimmer gegangen, aber da war kein Mensch. Mal wieder ein Schaltfehler. Sie kriegen das System einfach nicht in den Griff.«
»War die Tür zum Aufenthaltsraum offen?«
Der Wächter starrte ihn plötzlich an, zum allerersten Mal. Er zögerte, und Billy T. hätte schwören können, daß ein winziger Krampf die Wange des Mannes verzog.
»Nein. Die war zu. Ich habe sie aufgemacht und in den Raum geschaut, das muß ich tun, da kann sich ja jemand verstecken, aber auch der war leer. Die Tür zum Büro der Ministerpräsidentin war geschlossen. Die habe ich nicht angerührt.«
»Und dann?«
»Dann? Ja, dann bin ich wieder nach unten gegangen.«
»Warum haben Sie nicht mit der Vorzimmerdame gesprochen?«
»Mit der Vorzimmerdame? Warum sollte ich mit der sprechen?«
Jetzt machte der Wächter ein ehrlich verdutztes Gesicht.
»Das mach ich doch nie … ach, übrigens, die war ja gar nicht da.«
»Doch, war sie. Sie war den ganzen Nachmittag und Abend dort.«
»Nein, war sie nicht!«
Der Wächter schüttelte energisch den Kopf.
»Vielleicht war sie gerade auf dem Klo, was weiß ich, aber sie war nicht da. Da bin ich ganz sicher.«
Er beugte sich über die Skizze.
»Sehen Sie? Von da aus hätte ich sie gesehen.«
Billy T. kaute an seiner Wange herum.
»Mmm … na gut.«
Er nahm den gelben Zettel von der Lampe, schrieb »Klo?« darauf und klebte ihn wieder an.
»Gut, dann sind Sie also nach unten gegangen. Ins … wie haben Sie das noch genannt?«
»Wachzimmer.«
»Ja.«
Billy T. schnappte sich eine Thermoskanne und goß dampfenden Kaffee in eine Tasse, auf der ein gezeichneter Puccini prangte.
»Ich sehe, Sie interessieren sich für Waffen«, sagte Billy T. und blies lautstark in sein glühendheißes Getränk.
»Sieht man das etwa?« fragte der Wächter sauer und schaute auf die Uhr.
»Sehr komisch. Die Papiere, wissen Sie. Da steht das. Ich weiß fast alles über Sie. Sogar den Bericht über Ihre Sicherheitsüberprüfung habe ich hier vorliegen.«
Er schwenkte provozierend ein Blatt Papier und schob es dann unter die anderen Unterlagen.
»Das dürfen Sie nicht«, sagte der Wächter wütend. »Das ist gegen die Vorschriften.«
Billy T. grinste breit und starrte den Wächter an. Dem Mann gelang es nicht mehr, den Blick abzuwenden.
»Jetzt erzähl ich Ihnen was, ja? Im Moment nehmen wir es hier in diesem Haus mit
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