Im Zeichen des Löwen: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
sie nur noch zwei Jahre von ihrem dreißigsten Geburtstag. Sie war groß und schlank und hatte schmale, ein wenig schräg stehende Augen, die sie beim Lächeln zusammenkniff. Für fünfundzwanzig Fußballänderspiele als linke Verteidigerin war sie mit einer goldenen Uhr ausgezeichnet worden. Diese Rolle hatte sie auch im Dienst übernommen, sie war eine solide, energische Verteidigerin von allem, was richtig und gerecht war. Sie war stark, sie hatte einen klaren Kopf und fürchtete sich vor niemandem.
»Weißt du, das lasse ich mir einfach nicht gefallen.«
Ihre Augen funkelten, der eine Mundwinkel bebte.
»Du behandelst mich meistens wie Dreck und verkneifst dir keine Frechheit. Aber in dem Ton redest du nicht mit mir, ist das klar?«
Billy T. sah aus, als wäre er aus allen Wolken gefallen.
»Reg dich ab, mein Mädel, reg dich ab!«
»Ich bin nicht dein Mädel! Und jetzt reicht es endgültig. Du bist ganz einfach ein Machoschwein, Billy T. Du protzt mit deinem Erfolg bei den Frauen herum und glaubst, du kämst gut an, aber in Wirklichkeit …«
Jetzt stampfte sie mit dem Fuß auf, und Billy T. lächelte. Was sie noch wütender machte.
»Eigentlich kannst du Frauen überhaupt nicht leiden, Billy T. Du hast Angst vor ihnen. Ich bin nicht die einzige, der aufgefallen ist, daß du Kolleginnen ganz anders behandelst als Kollegen. Du hast Schiß vor uns, so ist das nämlich.«
»Jetzt reicht es mir aber. Hier im Haus gibt’s doch so viele Mädels, die …«
»Aber klar doch. Ein einziges. Im ganzen Haus gibt es nur eine Frau, die du wirklich respektierst, Billy T. Ihre Königliche Hoheit Hanne Wilhelmsen. Und weißt du auch, warum? Na?«
Sie schien kurz zu zögern, nicht zu wissen, ob sie das wirklich wagen sollte, dann feuchtete sie sich blitzschnell mit einer hellroten Zungenspitze die Lippen an und holte tief Luft.
»Weil du sie nie im Leben ins Bett kriegen wirst. Weil sie nicht aktuell ist. Die einzige Frau, die du respektierst, ist eine Lesbe, Billy T. Das sollte dir doch eigentlich zu denken geben.«
»Jetzt reicht’s aber!«
Er sprang auf, schleuderte den Papierkorb mit einem Tritt gegen die Wand, und es wurde ganz still. Sogar im Nebenzimmer, wo die Kollegen seit Minuten die lautstarke Auseinandersetzung gehört hatten, herrschte Totenstille. Billy T. dämpfte seine Stimme aber trotzdem nicht.
»Komm mir hier bloß nicht und mach Hanne Wilhelmsen schlecht. Du … du reichst ihr doch nicht mal bis zu den Knöcheln! Nicht mal bis zu den Knöcheln! Und das wirst du auch niemals tun.«
»Ich mache Hanne Wilhelmsen nicht schlecht«, erwiderte Tone-Marit ruhig. »Absolut nicht. Ich mache dich schlecht. Wenn ich an Hanne etwas auszusetzen hätte, würde ich zu ihr gehen. Aber jetzt reden wir über dich.«
»Zu Hanne gehen? Schwimmen wohl eher, was?«
Tone-Marit versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken, aber ihre Augen verrieten sie.
»Mein Gott, was bist du kindisch.«
»Mein Gott, mein Gott«, äffte er sie mit dünner, verzerrter Stimme nach.
Tone-Marit prustete los. Noch immer versuchte sie, das Lachen zu unterdrücken, aber es drängte heraus, sprudelte empor, und schließlich brach sie in ein langes, perlendes Lachen aus, während die Tränen aus den schmalen Strichen unter ihren Augenbrauen quollen. Sie ließ sich in einen Sessel fallen und preßte sich die Hand auf den Bauch, sie schaukelte hin und her und schluchzte am Ende so innig auf, während sie sich auf die Oberschenkel schlug, daß auch Billy T. sich nicht mehr halten konnte. Er lachte in sich hinein und fluchte ein wenig.
»Dann red ich eben mit dem Kerl«, murmelte er schließlich und nahm die dünne grüne Mappe an sich. »Wo steckt er denn?«
»Ich gehe ihn holen«, sagte Tone-Marit und wischte sich die Augen, sie hatte sich noch immer nicht ganz beruhigt.
»Dann mach, daß du fortkommst, zum Teufel«, sagte Billy T. Aber dabei lächelte er.
»Du solltest mal mit einem Psychologen sprechen«, murmelte Tone-Marit unhörbar, als sie die Tür hinter sich zumachte.
11.30, Ole Brumms vei 212
»Ich kann sie einfach nicht finden«, sagte Roy Hansen zu der jungen Polizeianwärterin, die Zöpfe und große blaue Augen hatte. »Tut mir leid.«
»Haben Sie wirklich überall gesucht?« fragte die Gretchengestalt zu allem Überfluß und machte sich an ihrer Uniformmütze zu schaffen.
»Natürlich. Überall. In Koffern, Schränken und Hosentaschen. Und Schubladen.«
Die Suche war schrecklich für ihn gewesen. Er hatte
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